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Dieser Artikel stammt aus der Zeit meiner politischen Arbeit bis Oktober 2017 und kann überholte Informationen enthalten.

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Sterben in Würde – Rechtssicherheit für Patienten und Ärzte. 
Ein Kommentar von Dagmar Wöhrl

Sterben in Würde – Rechtssicherheit für Patienten und Ärzte. Sterbehilfe, Palliativmedizin, Assistierter SuizidHeute habe ich zusammen mit meinen Bundestagskollegen/-innen Peter Hintze (CDU), Dr. Carola Reimann (SPD), Prof. Dr. Karl Lauterbach (SPD), Burkhard Lischka (SPD) und Katherina Reiche (CDU) ein Eckpunktepapier 
zur aktuellen Debatte um die Beihilfe zur Selbsttötung (sog. „Assistierter Suizid) in der Bundespressekonferenz vorgestellt:
Eckpunktepapier: Sterben in Würde – Rechtssicherheit für Patienten und Ärzte

Zunächst möchte ich mich für die Zusammenarbeit mit meinen Kollegeninnen und Kollegen aus CDU und SPD bedanken. Unsere heutige Pressekonferenz zeigt noch einmal deutlich, dass dies ein Vorschlag über die Parteigrenzen und Fraktionslinien hinweg aus der Mitte der Großen Koalition ist.

Bei der Debatte rund um das Thema Sterbehilfe gibt es kein Richtig oder Falsch.
Man kann wahrscheinlich nicht einmal zwischen einer besseren und einer weniger hilfreichen Lösung unterscheiden. Diese Diskussion betrifft eines der höchstpersönlichen Güter, die wir als Mensch haben: Das Selbstbestimmungsrecht über unser eigenes Leben. Deshalb kam ich für mich persönlich zu dem Schluss, dass eine staatliche Verbotsvariante dieser Situation nicht gerecht werden kann.

Unser Grundgesetz gibt es vor: Die Würde des Menschen ist unantastbar.
Daraus leiten wir ab, dass wir ein selbstbestimmtes Leben führen können müssen. Daraus muss sich aber auch ableiten lassen, dass man selbstbestimmt sterben darf. Für mich persönlich ergibt sich hieraus, dass man im letzten Stadium des Lebens nicht alleine gelassen werden darf und dass ein geäußerter Wunsch nach Beihilfe zum Suizid sich jeglicher moralischen Be- und Verurteilung entzieht.

Wir dürfen keine Ökonomisierung des Sterbens in Deutschland zulassen, deshalb lehne ich persönlich jede gewerbliche und organisierte Unterstützung zum Suizid ab. Ein an den Maßstäben der Wettbewerbsfähigkeit und Gewinnmaximierung orientierter Markt für Suizidbeihilfeleistungen darf aus meiner Sicht nicht entstehen. Deshalb müssen wir eine bundesweit einheitliche Rechtssicherheit für Ärzte und Patienten schaffen.

Während die Hilfestellung zum Suizid straflos ist, untersagen einige Ärztekammern in Deutschland jede Form der Hilfestellung zur selbstvollzogenen Lebensbeendigung ihrer Patienten. Dies sowie eine in Bezug auf Grenzfälle komplizierte Rechtslage führen zur Rechtsunsicherheit bei Ärzten und Patienten. Menschen in auswegloser Lage werden hierdurch zusätzlich belastet. Derzeit ist es so, dass die 17 Landesärztekammern in Deutschland unterschiedlich in ihrem jeweiligen Standesrecht regeln, ob Ärzte ihren Patienten bei der Selbsttötung assistieren dürfen. Es kann aber nicht sein, dass wir in Deutschland 17 verschiedene Wege zum Sterben haben. Und erst recht möchten wir einem möglichen „Sterbetourismus innerhalb Deutschlands“ vorbeugen.

Deshalb möchte ich an dieser Stelle auf die Bayerische Landesärtztekammer verweisen.
In der Berufsordnung für bayerische Ärzte steht, dass sie Sterbenden unter Wahrung ihrer Würde und ihres Willens beizustehen hätten.  Die Unterstützung von Sterbenden führt also nicht zu einem möglichen Berufsverbot. Auf diese Gewissenfreiheit sollen sich alle Ärzte in Deutschland berufen können.  (In Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein existiert kein explizites Verbot des ärztlich assistierten Suizids. Folglich riskieren Ärzte dort auch keine berufsrechtlichen Konsequenzen, wenn sie entsprechend helfen.)

Unsere Verantwortung gebietet es, alles in unserer Macht Stehende zu tun, um kranken Menschen durch die bestmögliche medizinische und menschliche Begleitung ein Ja zum Leben zu ermöglichen. Dazu gehören insbesondere die konsequente Inanspruchnahme und Fortentwicklung palliativmedizinischer Möglichkeiten und ein Ausbau des Hospizwesens. In den Fällen, in denen auch die Palliativmedizin bei zum sicheren Tod führenden Erkrankungen an ihre Grenzen stößt, leiden schwerstkranke Menschen oftmals eine große Not. Das körperliche und psychische Leiden ihrer Patienten stellt auch für die Ärzte eine äußerst belastende Situation dar.

Ein ärztlich assistierter Suizid kommt nur in Fällen einer irreversibel zum Tode führenden Erkrankung und einer daraus resultierenden extremen Leidenssituation des Patienten in Betracht. Er scheidet aus bei psychischen Erkrankungen oder einem anderweitig verursachten Wunsch nach Beendigung des eigenen Lebens. Eine ärztliche Hilfe darf zur Vermeidung schwerer Gewissenskonflikte nur freiwillig erfolgen.

Wir sind der Auffassung, dass eine gesetzliche Regelung des ärztlich assistierten Suizids von der Situation des Patienten und der Ärzte ausgehen sollte. Wir halten eine zivilrechtliche Regelung im Bürgerlichen Gesetzbuch im Umfeld der Regelungen zur Patientenverfügung unter dem Gesichtspunkt der Selbstbestimmung für den richtigen Weg.

Eine solche Regelung sollte es volljährigen und einsichtsfähigen Menschen ermöglichen, die freiwillige Hilfe eines Arztes bei der selbst vollzogenen Lebensbeendigung in Anspruch zu nehmen, wenn feststeht, dass eine unheilbare Erkrankung unumkehrbar zum Tod führt, der Patient objektiv schwer leidet, eine umfassende Beratung des Patienten bezüglich anderer, insbesondere palliativer Behandlungsmöglichkeiten stattgefunden hat und die ärztliche Diagnose von einem anderen Arzt bestätigt wurde (Vier-Augen-Prinzip).

Zusammenfassend: Es geht uns nicht um die Befriedigung von Ausflüssen eines vermeintlich vorherrschenden Hedonismus in unserer Gesellschaft, sondern wir möchten Rechtssicherheit für Ärzte und Patienten schaffen. So kann eine eindeutig geregelte Sterbehilfe zur Lebenshilfe werden.

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