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Dieser Artikel stammt aus der Zeit meiner politischen Arbeit bis Oktober 2017 und kann überholte Informationen enthalten.

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Die aktuelle Situation in Mali aus entwicklungspolitischer Perspektive

Dagmar G. Wöhrl in MaliSeit der Unabhängigkeit im Jahr 1960 und insbesondere seit den ersten freien Wahlen im Mai 1991, hatte die Republik Mali beeindruckende Fortschritte zu verbuchen und gehörte zu den wichtigsten Partnerländern der deutschen Entwicklungszusammenarbeit. Was sich allerdings in den vergangenen Monaten in dem zentralafrikanischen Land zugetragen hat, erstaunt und schockiert auf den ersten Blick. Mali ist derzeit ein gespaltenes und gelähmtes Land.

Die Schwerpunkte der Entwicklungszusammenarbeit mit Mali lagen in den Bereichen Landwirtschaft, Wasserversorgung, Dezentralisierung und Good Governance, sowie bei der Gesundheitsversorgung, Familienplanung und HIV/AIDS-Prävention. Über die Erfolge in diesen Bereichen konnte ich mir während einer Reise im vergangenen November selbst ein Bild machen.

Dennoch liegt die durchschnittliche Lebenserwartung in Mali bei etwa 51 Jahren, die Hälfte der Bevölkerung lebt in extremer Armut und weniger als ein Drittel der Malier können lesen und schreiben. Es gibt also noch viel zu tun. Dennoch mussten die Maßnahmen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit nach dem Militärputsch vom 22. März 2012 größtenteils ausgesetzt werden. Würden wir Mali aber nun seinem eigenen Schicksal überlassen, wäre dies zu kurz gedacht. Auch in Zukunft dürfen wir Mali nicht alleine lassen.

Der Arabische Frühling, der uns im vergangenen Jahr alle sehr optimistisch gestimmt hat, stellt uns zunehmend vor große Herausforderungen in der arabischen Welt und darüber hinaus. Jene Tuareg-Kämpfer, die in Mali nun zwei Drittel des gesamten Landes unter ihre Kontrolle gebracht haben, kämpften bis zum vergangenen Jahr für den libyschen Diktator Muammar al-Gaddafi und brachten ihre Waffen mit zurück nach Mali. Nun ist dort im Norden des Landes, an der Grenze zu Libyen, ein Zentrum für radikalislamischen Terrorismus – also auch für Al-Qaida – entstanden, was sich zu einer Gefahr für die gesamte internationale Gemeinschaft entwickelt. Gemäßigte Muslime und Christen werden dort gefoltert und misshandelt und mussten aus diesen Teilen des Landes fliehen. Mittlerweile sind Schätzungen zufolge mehr als eine Million Malier auf der Flucht. (Die seit Juni kontrollierten Gebiete der radikalen Tuareg-Kämpfer lassen sich in der angehängten Karte gut erkennen.)

Die seit Juni kontrollierten Gebiete der radikalen Tuareg-Kämpfer lassen sich in der angehängten Karte gut erkennen.

Schnell wurden Stimmen laut, die eine deutsche Beteiligung an der internationalen Mali-Mission forderten.
Vorschnell? Ich denke nicht.

Nach einigem Zögern hat die Regierung von Mali Anfang Oktober offiziell ein Gesuch um militärische Hilfe an die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) gerichtet. Kurze Zeit später, am 12. Oktober, verabschiedete der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen eine Resolution, die den Erhalt der staatlichen Einheit Malis fordert und den Weg frei macht für den militärischen Einsatz von ECOWAS-Truppen aus Nigeria, Niger und Benin. Algerien soll beratend zur Seite stehen. Das Ziel der Mission soll sein, die staatliche Einheit wieder herzustellen und den Terrorismus der islamistischen Fundamentalisten an der Schwelle zu Europa zu bekämpfen.

Am 19. Oktober trafen sich dann Vertreter von ECOWAS, UNO und EU mit dem Interimspräsidenten von Mali, Dioncounda Traoré, in Bamako. Es zeigt sich, dass die etwa 3000 malischen Soldaten unzureichend ausgebildet, kaum motiviert und den Rebellen zahlenmäßig vollkommen unterlegen sind. Sie brauchen dringend Unterstützung, wenn das Land nicht weiter im Chaos versinken und dem Terrorismus total zum Opfer fallen soll. Für eine erfolgreiche Durchführung einer solchen Mission benötigt ECOWAS also auch die Erfahrung europäischer Truppen, vor allem bei der Ausbildung und Schulung der Truppen.

Sicherlich müssen vor Beginn der Mission Ziele und Ausmaß des Einsatzes ganz klar festgelegt sein. Dass wir aber die Augen vor dem Zerfall der Republik Mali nicht verschließen dürfen, erklärt sich aus humanitärer, entwicklungs- und sicherheitspolitischer Perspektive fast von selbst. Am 19. November werden die EU-Außenminister die Form der EU-Beteiligung an einer Mali-Mission vorschlagen. Wir müssen Mali helfen, sich zu stabilisieren, auch für unsere eigene europäische Sicherheit  gegen den Terrorismus. Viel Zeit bleibt uns nicht, die Erfolge der vergangenen Jahre in Mali zu retten und zu festigen.

Dagmar G. Wöhrl in Mali

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  1. Langfristiges und entschiedenes Engagement für Mali | Dagmar G. Wöhrl - 5. Februar 2013

    […] seinen Nachbarländern, sodass man schnell einmal den Überblick verlieren kann. Nach meinem ersten Artikel zur Situation in dem westafrikanischen Land im Herbst 2012, ist es mir wichtig, nun noch einmal die Fakten zusammen zu tragen. Als Entwicklungspolitikerin […]