Es ist einer der am stärksten boomenden Wirtschaftszweige: Die private Kultur- und Kreativwirtschaft ist ein Jobmotor ohne Beispiel. Sie rangiert, was die Zahl der Arbeitsplätze anbetrifft, auf Augenhöhe mit der Autoindustrie und weiteren großen Industriezweigen. Mehr als 244 000 Unternehmen, zum großen Teil Kleinstunternehmer und Freiberufler, mit bundesweit fast einer Million, in Bayern mehr als 280 000 Beschäftigten machen das kreative Potential dieser Branche aus. 2010 erwirtschafteten sie 137 Milliarden € Umsatz, 6 Milliarden Euro mehr als 2009, und das trotz weltweiter Wirtschaftskrise. Die Zahl der Unternehmensgründungen, Umsatz- und Beschäftigtenzahlen in dieser Branche steigen stetig an.
Bayerisches Zentrum für Kultur- und Kreativwirtschaft in Nürnberg
Heimat für diese Kreativen zu sein – das hat sich die Metropolregion Nürnberg zum Ziel gesetzt und damit eine wichtige Weichenstellung vorgenommen. Für Nürnberg spielt die Kultur- und Kreativwirtschaft eine entscheidende Rolle: als Stadt des Spiels mit langer Tradition, als Heimat des Spielzeugmuseums und des Deutschen Spielearchivs und als Gastgeberin der Spielwarenmesse als weltweit größter Messe der Branche. Und nicht zuletzt hat in Nürnberg der Branchenverband SpieleGilde seinen Sitz. Abgesehen vom Bereich der in Neudeutsch so bezeichneten und in Nürnberg so stark verorteten Games- und Softwareindustrie haben auch die weiteren 10 definierten Teilmärkte der privaten Kultur- und Kreativwirtschaft, von der Musik- über die Film- und Rundfunkwirtschaft, vom Buch-, Kunst- und Pressemarkt bis hin zu den Darstellenden Künsten, der Designwirtschaft, dem Architektur- und Werbemarkt, großen Anteil an der wirtschaftlichen Stärke der Region Mittelfranken. Nürnberg hat somit eine spannende und lebendige Kultur- und Kreativszene.
Die bayerische Staatsregierung hat deshalb sehr klug und mit Blick in die Zukunft entschieden, bei der IHK Nürnberg für Mittelfranken nun auch ein bayerisches Zentrum für Kultur- und Kreativwirtschaft anzusiedeln. Es soll dazu beitragen, die Rahmenbedingungen für die Branche in der Metropolregion, aber auch mit Wirkung für ganz Bayern, weiter zu verbessern. Bereits jetzt gibt es zahlreiche Beratungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten, Coachings für Existenzgründer, aber auch die Unterstützung bei der Vernetzung von Kulturschaffenden und Kreativen untereinander, national und international.
Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft der Bundesregierung
Auch wenn Kultur Sache der Länder ist: Der Bund ist ebenfalls seit langem aktiv dabei, den Unternehmen und Selbständigen der Branche Hilfe zukommen zu lassen, damit sie bessere Wettbewerbschancen bekommen und (Förder-)Potentiale nutzen und ausschöpfen können.
Bereits 2007, zu meiner Zeit als Parlamentarische Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium, habe ich die Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft ins Leben gerufen, die seitdem Erfolgsgeschichte geschrieben hat.
Die Initiative will die Bedeutung des Wirtschaftszweiges stärker ins politische Bewusstsein rücken. Denn immer mehr verdient er die gleiche Anerkennung wie etablierte Wirtschaftszweige. Die Initiative will die Rahmenbedingungen für die Weiterentwicklung der Branche verbessern. Es ist wichtig, das Potenzial der Kulturwirtschaft mit ihrem Zusammenspiel von Kreativität und Innovation zu nutzen. Das schafft Arbeitsplätze und fördert das Wirtschaftswachstum. Die Kulturwirtschaft hat beste Chancen, im internationalen Wettbewerb zu bestehen.
Die Initiative will die Strukturen und Potenziale der Kultur- und Kreativwirtschaft herausarbeiten. Eine verbesserte kulturwissenschaftliche Nutzung öffentlicher Informationen wird angestrebt. Zum Beispiel durch eine Förderdatenbank des Bundeswirtschaftsministeriums. Kompetenzen sollen gestärkt und die Vernetzung der Kultur- und Kreativbranche verbessert werden. Auf den Prüfstand gehören alle bereits vorhandenen Förderinstrumente.
Die Initiative steht für interessierte Beteiligte und Akteure offen. An ihr beteiligen sich neben Bund, Ländern und der Europäischen Union Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Eingeladen sind auch Wirtschaftsverbände und Vertreterinnen und Vertreter der Teilbranchen der Kultur- und Kreativwirtschaft, beispielsweise aus dem Verlagsgewerbe und der Filmwirtschaft. Sie können ihr Wissen und ihre Erfahrung beisteuern. Außerdem startete das Bundeswirtschaftsministerium übergreifende Branchendialoge mit Workshops und Fachforen.
Wir wollen konkrete Hilfestellungen dort geben, wo es aus Bundessicht notwendig und sinnvoll ist. Dies betrifft beispielsweise die Verbesserung der Außendarstellung und des Standortmarketings. Generell geht es darum, neue positive Zukunftsperspektiven für die Kreativwirtschaft zur Stärkung ihrer Wettbewerbsfähigkeit zu erschließen.
Regionale Kompetenzzentren und Schwerpunktsetzung in Europa
Heute berät im Rahmen der Initiative das Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft Kreative und Kulturschaffende in 8 Regionalbüros, unter anderem in Nürnberg und München, sowie bundesweit in 77 weiteren Städten, an acht Standorten auch in Bayern. Um das kreative Wachstumspotential zu fördern, gehen die Angebote von der gezielten Beratung, Begleitung und Vernetzung von Unternehmen und Selbständigen über Möglichkeiten zur Präsentation auf internationalen Messen bis hin zur Ausschreibung von Wettbewerben. Bereits zum 3. Mal wurde 2012 wieder die Auszeichnung „Kultur- und Kreativpiloten Deutschland“ für besonders innovative Konzepte vergeben. Unter den 32 gewürdigten Preisträgern kamen auch im letzen Jahr wieder 5 Kreativpiloten aus Bayern.
Dass die Erkenntnis, wie wichtig Kreativ- und Innovationspotential auch im internationalen wirtschaftlichen Zusammenhang ist, über die Bundesebene hinaus geht, zeigt die Planung der neuen irischen EU-Ratspräsidentschaft. Sie hat das Rahmenprogramm „Kreatives Europa“ ganz oben auf ihre Prioritätenliste gesetzt. Gemeinsam mit den beiden nachfolgenden künftigen Präsidentschaften Litauen und Griechenland haben die Iren im mehrjährigen Finanzplan für 2014-2020 schon jetzt Weichenstellungen für die Stärkung von Kultur- und Kreativwirtschaft und des wirtschaftlichen Wachstums in diesem Bereich in den nächsten Jahren vorgenommen.
Informationen, Beratung und Vernetzung stehen also auf allen Ebenen im Focus der Maßnahmen. Weiterbildung, Professionalisierung und der Zugang zu Fördermöglichkeiten und Absatzmärkten sind weitere elementare Punkte. Nach fünf Jahren erfolgreicher Arbeit der Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft ist es auf Bundesebene aber nun an der Zeit, einige Stellschrauben nachzuziehen und auf aktuelle Entwicklungen hin zu optimieren. So ist mit dem Urheberrecht konkret der Bundesgesetzgeber gefordert, die Interessen der Kultur- und Kreativwirtschaft und hierbei insbesondere der Musik- und Designwirtschaft zu schützen. Eine Klärung im Leistungsschutzrecht ist ein weiteres, viel diskutiertes Anliegen des Pressemarktes.
Weitere Unterstützung durch den Bund sollte die Branche auch dadurch erfahren, dass Förderformate besser an die spezifischen Anforderungen und Charakteristika der Branche angepasst werden. Viele Programme verlangen eine finanzielle Eigenbeteiligung. Nicht nur Firmengründer aus der Kultur- und Kreativwirtschaft haben Probleme, so etwas zu stemmen; zahlreiche Klein- und Kleinstunternehmen aus allen Bereich den Mittelstandes sind damit ebenfalls überfordert und können die Eigenmittel nicht in der erforderlichen Höhe beibringen, fallen also aus den Förderprogrammen heraus.
Auch Programme, die an der Technologisierung von Unternehmen orientiert sind, entsprechen ebenfalls nicht unbedingt den Bedürfnissen, die die Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft haben. Viele Unternehmen, besonders die ganz kleinen, setzen auf Handarbeit und haben damit die Nische gefunden, die den Erfolg ihrer Arbeit begründet.
Vor diesem Hintergrund und angesichts der großen Herausforderungen, die durch die rasante Entwicklung in allem, was das Internet anbetrifft, entstehen, stellt sich die Frage, ob sich die Kultur- und Kreativwirtschaft mit eine Präzisierung der Teilmärkte besser erfassen lässt. Natürlich sind die Übergänge in manchen Bereichen fließend. Allerdings haben allein schon die Innovationen im und durch das Internet hat viele neue Betätigungsfelder für Kreative hervorgebracht. Da wäre es hilfreich, auch die Systematik bei der Zuordnung der Teilmärkte weiterzudenken.
Der Boom rund um mobile Apps ist ein Beispiel, die völlig neuen Kommunikationsforen und –formen über soziale Netzwerke wie Facebook, Twitter & Co ein weiteres. Diese neuen Möglichkeiten, die uns durch das Internet geboten werden, sind das Ergebnis kreativer Prozesse. Diejenigen, die ihre Ideen umgesetzt und die Entwicklung angestoßen haben, werden aber durch Zuordnung in die Teilbereiche der Software- und Games-Industrie oder gar der Werbung nur schlecht abgebildet. Wenn sie sich also etwas Neues einfallen lassen, sollten auch wir das tun.
Aber nicht nur technologische Innovation ist es, was unsere Kultur- und Kreativwirtschaft ausmacht. Einen wichtigen Platz nimmt auch das deutsche Handwerk ein. Es ist seit Jahrhunderten zwar Träger von Innovationen, aber auch Bewahrer von Kulturgut ebenso wie von Kunstfertigkeiten und Hort von Spezialwissen. Der hohen Anteil an Handarbeit und an individuell und künstlerisch umgesetzten Projekten sind weitere wichtige Punkte, die bessere Abbildung finden sollten. Wenn man so will, ist das Handwerk die analoge Seite der Kultur- und Kreativwirtschaft, greifbar und zum Anfassen, während Software-Industrie und Internetentwickler die digitale Seite ausmachen, modern und technologieorientiert. Man geht davon aus, dass es in Deutschland rund 55 000 Handwerksunternehmen mit überwiegend kulturell und kreativ relevanten Tätigkeitsfeldern gibt. Zum Vergleich: 35 000 Handwerksunternehmen in Deutschland zählen zum Lebensmittelgewerbe, 59 000 zum Kfz-Gewerbe.
Auf EU-Ebene findet das Handwerk in einzelnen Rahmenwerken als eigenständiger Teil der Kultur- und Kreativwirtschaft bereits Berücksichtigung. „Arts and Craft“, so lautet die Sektorbeschreibung. Auch wir sollten uns überlegen, dem Handwerk im Kultur- und Kreativsektor mehr Anerkennung und eine Aufwertung zuzugestehen. Damit würde seine eigentliche Bedeutung mehr hervorgehoben.
Mehr Berücksichtigung finden sollte in der Förderpolitk auch die Tatsache, dass der größte Teil der Beschäftigen in der Branche Frauen sind. 2007 lag der Frauenanteil an der Gesamtzahl der Beschäftigen innerhalb der Kultur- und Kreativwirtschaft bei 53 %. Unter den Selbständigen in der Branche sind 40 bis 44 % Frauen. Diese Zahl ist umso beeindruckender, wenn man berücksichtigt, dass der Frauenanteil unter den Selbständigen gesamtwirtschaftliche gesehen nur bei 7 % liegt. Von daher liegt es nahe, auch entsprechend auf Frauen zugeschnittene Beratungen und Förderungen anzubieten, die beispielsweise den ganzen Komplex Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Kinderbetreuung, Schwangerschaft in der Selbständigkeit, Altersvorsorge usw. einbeziehen.
Es gibt also zahlreiche, vielversprechende Ansätze und Weichenstellungen auf allen Ebenen. Aber wir müssen weiter am Ball bleiben. Die Kultur- und Kreativwirtschaft ist längst ein harter Standortfaktor geworden. Aber es gilt auch international die Wettbewerbsfähigkeit zu halten. Je mehr an einem Strang für die Branche ziehen, umso besser. Die Kultur- und Kreativwirtschaft gehört heute ohne jeden Zweifel zum Gesamtfokus moderner Wirtschaftspolitik.
Weiterführende Informationen:
www.kultur-kreativ-wirtschaft.de
www.bundesregierung.de
www.dagmar-woehrl.de/dagmars-welt/tagebuch
www.bmwi.de
www.kulturgilde.de
www.kulturwirtschaft.de
Quelle: www.bundestag.de/Mediathek
223. Sitzung vom 22.02.2013
Wöhrl, Dagmar G. (CDU/CSU)
34.) Beratung Antrag SPD
Projekt Zukunft – Deutschland 2020 – Ein Paket für die Kreativwirtschaft – Drucksache 17/12382 –
ZP.8) Beratung Antrag CDU/CSU, FDP
Wettbewerbsfähigkeit der Kultur- und Kreativwirtschaft weiter erhöhen – Initiative der Bundesregierung verstetigen und ausbauen – Drucksache 17/12383 –
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