Bevor Ende Mai und Anfang Juni in den verschiedenen Ausschüssen des Europaparlaments ACTA noch einmal diskutiert wird, hatten wir heute ein wichtiges Expertengespräch zum Abkommen und seinen zu befürchtenden Auswirkungen auf die Entwicklungsländer.
Dr. Sandy Harnisch vom Aktionsbündnis gegen AIDS und Philipp Frisch von Ärzte ohne Grenzen hatten interessante und wichtige Informationen für die Mitgliedern des AWZ während unserer einstündigen außerordentlichen Sitzung am Nachmittag. Wie ich bereits in den vergangenen Wochen gesagt hatte, sind die Konsequenzen im Bereich Generika und Saatgut für Entwicklungsländer zu wichtig, als dass man sich bei diesem Thema auf vage Formulierungen und Vermutungen im aktuellen Abkommen verlassen könnte.
Problematisch ist vor allem, dass bei ACTA die Themen geistiges Eigentum und Markenrechte bei Generika und Getreide miteinander verknüpft werden. Hier wurde versucht, unterschiedliche Themen mit einem einzigen Abkommen abzudecken. Aber wenn wir eine nachhaltige Entwicklung in den ärmsten Ländern gewährleisten möchten, dann muss ein verändertes oder neues Abkommen speziell den entwicklungspolitischen Aspekt von Patenrechten bei Medikamenten und Saatgut aufgreifen.
Wegen ACTA könnte es hauptsächlich zu zwei Problem für die gesicherte Medikamentenversorgung in den ärmsten Ländern kommen: Erstens könnte es zu großen Lieferverzögerungen kommen, wenn Zollbehörden Generika im Transit zu lange zur Prüfung einbehalten. Zweitens können Hersteller von Generika – wie beispielsweise jene in Indien – abgeschreckt werden und auf Umwegen ihre Produkte exportieren, weil sie Schadensersatzforderungen in ACTA-Ländern zu befürchten hätten. Der Export der Medikamente ist aber die Lebensversicherung für viele Menschen in Entwicklungsländern. Die positiven Auswirkungen der sinkenden Preise für AIDS-Medikamente innerhalb der vergangenen zehn Jahre könnten zunichte gemacht werden, wenn weniger Generika rechtzeitig zur Verfügung stehen.
Eine Alternative zu ACTA wäre laut unserer Experten eine Regelung, die ähnlich dem sogenannten Equitable Licensing funktioniert. Dabei handelt es sich um besondere Lizenmodelle, die entwickelt wurden, um den Zugang zu bezahlbaren Medikamenten für Menschen in Entwicklungsländer zu verbessern. Falls ACTA scheitern sollte, müssen wir schnell praktikable Lösungen erarbeiten. Diese Lizenzmodelle wären vielleicht eine gute Richtung.
In der Dienstags-Ausgabe der Abendzeitung München habe ich auch noch einmal auf die Probleme mit ACTA hingewiesen und neben dem Thema Medikamentenversorgung auch die Situation der Bauern hervorgehoben.
WöhrlWideWeb: Entwicklungsländer dürfen nicht zu den Verlierern des ACTA-Abkommens werden – Teil 1
Weitere Informationen zu den Auswirkungen von ACTA auf Entwicklungsländer – Teil 2
Comments are closed.