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Dieser Artikel stammt aus der Zeit meiner politischen Arbeit bis Oktober 2017 und kann überholte Informationen enthalten.

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Profit nicht über Vernunft stellen. Die möglichen Auswirkungen von ACTA auf Entwicklungsländer

Meine Bedenken über das „Anti-Counterfeiting Trade Agreement“ (ACTA) hatte ich bereits vor einigen Wochen öffentlich geteilt und auch mein Verständnis für die damit in Zusammenhang stehenden Demonstrationen bekundet.

Dass ein so intransparentes Abkommen, an dessen Aushandlung weder Vertreter der Zivilgesellschaft noch Vertreter nationaler Parlamente beteiligt wurden, in über 30 Staaten unterzeichnet werden soll, wird in Deutschland und auch im Rest der Welt zu Recht lautstark kritisiert.

So richtet sich das Vertragswerk, das seit 2007 im Geheimen ausgearbeitet worden ist, nicht nur gegen die Film- und Musikindustrie schädigende Produktpiraterie, sondern auch beispielsweise gegen die Produktion von Generika (=wirkstoffgleiche Kopien von auf dem Markt befindlichen Medikamenten). Diese können laut den ACTA-Gegnern bei verstärkten Zollkontrollen in Transitländern konfisziert werden und dadurch die Versorgung hilfsbedürftiger und kranker Menschen in Entwicklungsländern behindern. Gerade die Ärmsten der Armen sind allerdings auf Generika angewiesen, da die markenrechtlich geschützten Medikamente für sie bei Weitem unerschwinglich sind.

Wenn es hierzu tatsächlich kommen sollte, stünde eindeutig Profit über Vernunft, wenn dem Interesse der mächtigen Pharmaindustrie mehr Beachtung geschenkt wird als dem Leiden von Millionen Menschen in Afrika, Asien und Lateinamerika.

Viele Passagen in dem Vertragswerk sind – ob bewusst oder unbewusst – schwammig formuliert. Befürworter von ACTA sehen darin die Ungefährlichkeit des Abkommens: die Gesetzgebung obliegt immer noch dem jeweiligen Staat und so kann und soll ACTA nur als Leitvorlage dienen. Kritiker befürchten hingegen, dass unscharfe Formulierungen auf konkrete Bereiche ausgedehnt werden könnten und so die Privatsphäre einzelner Bürger beschneiden könnten. Diese Formulierungsunschärfe ist es auch, die die Folgen des Abkommens schwer abschätzbar macht. Die Ratifizierung von ACTA sollte ausgesetzt werden und stattdessen ein Abkommen ausgearbeitet werden, bei dem alle Beteiligten – Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft – gemeinsam auf der Basis ihrer jeweiligen Expertise ein nachhaltiges Abkommen entwickeln. Die Entwicklungsländer dürfen nicht zu den Verlierern des ACTA-Abkommens werden.

Aus den eben dargelegten Gründen ist es sehr schwer abzuschätzen, welche Folgen es nun tatsächlich für die Entwicklungsländer geben kann. Deshalb habe ich in der letzten Woche ein Gutachten beim wissenschaftlichen Dienst des Deutschen Bundestages in Auftrag geben, in dem dieser Fragestellung nachgegangen werden soll. Sobald das Gutachten vorliegt, werde ich weitere Schritte einleiten und gegebenenfalls einen Antrag ausarbeiten.

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3 Responses to Profit nicht über Vernunft stellen. Die möglichen Auswirkungen von ACTA auf Entwicklungsländer

  1. Andreas Otto 7. März 2012 at 12:48 #

    Liebe Frau Wöhrl,

    Ein Handelsabkommen hat primär die Aufgabe den Handel zu organisieren.
    Die humanitäre Hilfestellung von Bedürftigen ist wichtig und richtig. Die organisatorische Ansiedlung im Entwicklungs-Hilfe-Ministerium bzw im Außenministerium hat sich bewährt.
    Ein vermischen beider Gesichtspunkt ist nicht Ziel-führend da die Interessen in einen internationalen Handelsabkommen die Interessen aller Länder berücksichtigt werden müssen.
    So erwarten Sie unterstützen für z.B. den deutschen Maschinenbau und wollen gleichzeitig die Unterstützung von z.B. französischen Pharmakonzernen einschränken.
    Die Vorgehensweise ist weder fair noch Ziel-führend da zweierlei-maß entzweit und nicht vereint.

    Um die Sache für Sie zu erleichtern stellen Sie sich vor Sie repräsentieren ein Land welches primär Pharma-Erzeugnisse erzeugt und stellen Sie sich vor was Sie als Repräsentant denken wenn genau Ihre Produkte vom “Urheber-Recht” ausgenommen werden.

    ich hoffen ich konnte meinen Aspekt verdeutlichen

    Andreas Otto

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