Ich freue mich sehr, dass ich heute nicht nur in meiner Heimatstadt zu Ihnen sprechen darf, sondern auch noch an der Universität, an der ich selber studiert habe.
Die Nürnberger Hochschullandschaft war für mich immer etwas Besonderes – nicht zuletzt deswegen, weil sie Persönlichkeiten wie Ludwig Erhard hervorgebracht hat. Er hat hier an der Handelshochschule in Nürnberg studiert und erwarb 1922 den Titel eines Diplomkaufmanns. Nach seiner Promotion kehrte Ludwig Erhard nach Nürnberg zurück. Er wurde Forschungsassistent an dem von Wilhelm Vershofen (Ordinarius an der Nürnberger Handelshochschule seit 1924) gegründeten „Institut für Wirtschaftsbeobachtung der deutschen Fertigwaren“.
Aus diesem Institut ging dann bekanntlich die Gesellschaft für Konsumforschung hervor, ein Nürnberger Marktforschungsunternehmen von weltweiter Bedeutung.
Ludwig Erhardt wird in diesen Tagen viel bemüht. Zu Recht. Vor allem seine ordnungspolitische Beharrlichkeit hat mich immer inspiriert. Allerdings muss man sagen: Auch Ludwig Erhardt hätte es in diesen Tagen schwer gehabt. Es gilt viele Kriterien abzuwägen.
In der schwersten Wirtschaftskrise, die die Bundesrepublik je erlebt hat, geht es nicht ohne staatliche Hilfe. Entscheidend ist für mich aber, dass wir nicht mit Staatseingriffen den strukturellen Wandel aufhalten. Wenn wir in der Vergangenheit den Strukturwandel aufgehalten hätten, würden wir heute nicht hier sitzen und über Dienstleistungen reden. Ohne Strukturwandel wären heute noch immer zwei Drittel der Deutschen in der Landwirtschaft beschäftigt, wie vor 150 Jahren.
Es hätte keine Industrialisierung gegeben. Und auch keine Tertiarisierung. Die wirtschaftliche Bedeutung der Dienstleistungen in unserem Land hat sich in den letzten Jahrzehnten ständig erhöht. Anteil des Dienstleistungsbereichs in Deutschland fast 70 Prozent an der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung. Zum Vergleich: 1991 lag der Anteil noch bei 62 Prozent. Zudem sind rund 30 Mio. Menschen im Dienstleistungssektor beschäftigt. Das sind 6 Mio. Erwerbstätige mehr als 1991.
Auch die EU hat sich in den vergangenen Jahren weiter zur Dienstleistungswirtschaft entwickelt. In der EU liegt der Anteil der Bruttowertschöpfung im Dienstleistungssektor insgesamt sogar noch etwas höher als in Deutschland, nämlich bei 72 Prozent. Betrachten wir die aussenwirtschaftliche Entwicklung:
Unsere Dienstleistungs-Anteile am Export sind verhältnismäßig niedrig (ca. 14%) und liegen erheblich unter dem EU-Durchschnitt (20%).
In den USA liegt der Anteil der Dienstleistungen am Gesamtexport über 25 Prozent. Es gibt hier für Deutschland also noch einen erheblichen Nachholbedarf.
Fast zwei Drittel der von Deutschland exportierten Wirtschaftsleistungen (Waren und Dienstleistungen) finden ihren Absatz auf den Märkten der EU.
Deshalb brauchen wir eine bessere Einbindung der Dienstleistungswirtschaft in den Binnenmarkt. Insbesondere die Europäische Dienstleistungsrichtlinie ist hier zu nennen.
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