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Dieser Artikel stammt aus der Zeit meiner politischen Arbeit bis Oktober 2017 und kann überholte Informationen enthalten.

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Entwicklungspolitik wird zur Überlebenspolitik

„Entwicklungspolitik wird künftig zur Überlebenspolitik“

„Keynot-Speech“ der Vorsitzenden des AwZ
zum Jahresempfang der AmCham Germany am 16. Januar 2012 in Nürnberg
zum Thema „Entwicklungspolitik der Bundesregierung“

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich darf Sie alle ganz herzlich zu diesem Neujahrsempfang der AmCham begrüßen und Ihnen ein gutes und erfolgreiches Neues Jahr wünschen.
Ich bin heute gerne zu Ihnen gekommen, weil ich mich der AmCham Germany ganz besonders verbunden fühle und das hier für mich sozusagen ein Heimspiel ist.

Sie haben sich vielleicht beim Lesen der Einladung gesagt, mit Blick auf 2012 gibt es Spannenderes als über „Entwicklungspolitik der Bundesregierung“ zu reden.
Sie haben Antworten erwartet auf die drängenden Fragen der politischen Agenda 2012:
Was macht der EURO?
Wohin treibt die EU?
Schlittern wir in eine Rezession?
Wie geht’s weiter bei uns mit 2 Billionen Schulden?
Wie lösen wir den drohenden Fachkräftemangel?
Wann kommt endlich die Gesundheitsreform?
Wie geht es bei unseren Nachbarn in Nordafrika weiter?

Ich gebe Ihnen Recht, das alles sind spannende und dringende Fragen, mit denen wir uns in Berlin in 2012 zu beschäftigen haben, für die wir Antworten finden müssen – und ich füge optimistisch hinzu, seien Sie versichert, wofür wir auch Lösungen finden werden.

Aber ich sage Ihnen auch, ohne diese drängenden Themen klein reden zu wollen, wir alle sind gut beraten, und dies ist meine Überzeugung als Unternehmerin und Politikerin, wenigstens einmal im Jahr über den Horizont des politischen Krisenmanagements hinauszublicken, eine analytische Verortung und strategische Gesamtbewertung vorzunehmen.

Denn das macht echtes Leadership aus – in der Politik wie in der Wirtschaft – über den Tag hinaus zu denken.
Es gilt, neue Chancen zu erkennen, die sich in der Zukunft auftun – und es gilt, sie nutzen.
In der Managersprache heißt das „Foresighting“, manche reden gar – mit Glanz in den Augen – von Visionen.
Dafür gibt es bekanntlich den weisen Rat: Wer Visionen hat, der soll zum Augenarzt gehen.

Aber im Ernst, ganz ohne visionäre Vorausschau wird man weder in der politischen noch in der unternehmerischen Gestaltungsarbeit weit kommen. Es braucht immer beides, Leidenschaft und Augenmaß – wie die berühmte Wendung von Max Weber lautet – und das sind Persönlichkeitsmerkmale, die gehören in die Stellenbeschreibung für Führungspositionen in Politik wie in Wirtschaft. Denn wer das Ziel nicht kennt, kann den Weg dorthin auch nicht finden.
Von daher möchte ich Ihnen für das kommende Jahr noch etwas wünschen: Die Entschleunigung des Alltags – zu mindestens phasenweise. Gerade wir Politiker werden durch einen News circle nach dem anderen getrieben.

Während man in Bonner Zeiten noch einen Tag Zeit hatte, um eine Stellungnahme für Tageszeitung des übernächsten Tages abzugeben, aktualisieren die Internetseiten der großen Blätter inzwischen ihre Schlagzeilen stündlich. Dies führt dazu, dass Antworten immer schneller erwartet werden. Was bisweilen auffällig ist, das dies zu einer Minderung des Wertgehalts vieler Aussagen führt.

Deshalb tut es uns Politikern, wie den Wirtschaftslenkern, gut einmal den Blick in die Zukunft schweifen zu lassen und die Koordinaten für unser künftiges Handeln festzusetzen. Für das neue Jahr habe ich mir persönlich vorgenommen, mich weniger von den aktuellen Themen treiben zu lassen, als auch selbst Themensetting zu betreiben. Manchmal scheint es mir, die Entwicklungspolitik ist das einzige politische Gebiet auf dem dies noch möglich ist.

Meine Damen und Herren, warum es spannend ist, gerade auch aus der Sicht der Wirtschaft, sich mit entwicklungspolitischen Fragen zu beschäftigen, das liegt meiner Meinung nach daran, und davon bin ich inzwischen fest überzeugt, dass es Zukunftsfragen sind.
Es sind Fragen, die ein neues Chancenfeld eröffnen, dass nur darauf wartet, erschlossen und bearbeitet zu werden – auch und gerade von der Wirtschaft.

Insofern möchte ich heute nicht nur über die strategische Ausrichtung – zutreffender gesagt – Neuausrichtung der deutschen Entwicklungspolitik reden, sondern zugleich auch bei Ihnen dafür werben, sich diesem Feld zuzuwenden – im traditionellen Geist eines Unternehmers mit Offenheit und Risikobereitschaft!

Zukunftsfragen

Meine Damen und Herren, Ihnen wird nicht entgangen sein, dass wir Ende letzten Jahres den siebenmilliardesten Erdenbürger bei uns begrüßt haben. 2050 werden es voraussichtlich 9,5 Milliarden sein.

Wie wollen wir, wie können wir sicherstellen, dass diese Menschen menschenwürdig leben können – das meint, dass sie gesund aufwachsen, dass sie einen Zugang zu Bildung bekommen, dass sie ausreichend ernährt werden, dass sie in Frieden leben und ihre Zukunft selbstbestimmt gestalten können?

Und was bedeutet das für unseren Umgang mit den natürlichen Ressourcen?

Wie werden Wachstum und Wohlstand gesichert – oder wie einige versprechen „Wohlstand ohne Wachstum“?

Wie können wir den diversen Katastrophenszenarien vorbeugen: Epidemien, Überschwemmungen, Dürrekatastrophen, Rohstoffkriege, Wasserkriege, Klimakriege?

Schon heute leben 1 Milliarde Menschen mit weniger als 1,25 Dollar pro Tag.
Was wenigen klar ist, in den Vorzeigeschwellenländern China und Indien leben immer noch mehr Arme als es in ganz Afrika Einwohner gibt.

Die Schere zwischen Reich und Arme grätscht weltweit immer schärfer auseinander. Hunderte Millionen Menschen haben bis heute keinen Zugang zum Bildungs- oder Gesundheitssystem, leben ohne soziale Sicherung.

Entwicklungspolitik, das zeichnet sich ab, wird immer mehr zur Überlebenspolitik.

50 Jahre BMZ

Wir haben im letzten Jahr 50 Jahre Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung gefeiert. Die Motive für Entwicklungshilfe, meine Damen und Herren, haben sich mit dem politischen Zeitgeist gravierend gewandelt:

Am Anfang war es wohl eine Mischung aus Wiedergutmachung und moralischer Verantwortung der Starken gegenüber den Schwachen in der Welt.
Aber die realen Probleme der Entwicklungsländer waren, wenn wir einmal ehrlich sind, für die meisten von uns doch weit weg.
Dann kamen ideologische und sicherheitspolitische Motive hinzu, wovon die ideologischen sich zwischenzeitlich überlebt haben.

Heute im Zeitalter der Globalisierung haben uns die Probleme der Entwicklungsländer eingeholt und sind bei uns zuhause unübersehbar – ich nenne nur die Stichworte Migration, Terrorismus, Klimawandel.

Und wenn wir unsere Tasse Kaffee trinken, dann wissen wir ganz genau von den sozialen und ökologischen Standards der Anbaumethoden, den Transportkosten, den wettbewerbsverzerrenden Zöllen usw.
Das bedeutet auch, wir können uns nicht länger aus der Verantwortung stehlen, denn „Wir sitzen alle in einem Boot!“.

Und das ist vermutlich mit der Grund, meine Damen und Herren, warum das Interesse der Bevölkerung an entwicklungspolitischen Themen in den zurückliegenden Jahren enorm zugenommen hat.

Nach einer aktuellen Emnid-Umfrage wollen über 80% fair gehandelte Produkte kaufen, Produkte die von Unternehmen stammen, die sich für Umwelt und Soziales engagieren. 65% wären auch bereit, höhere Preise für Lebensmittel aus Entwicklungsländern zu bezahlen.

Dieser Aufwertung im Bewusstsein, meine Damen und Herren, entspricht auch eine Aufwertung in der Politik. Das spiegelt sich am deutlichsten in den Haushaltszahlen wider. Deutschland leistet einen kleinen, aber keinen kleinlichen Beitrag als verlässlicher Partner der internationalen Verantwortungsgemeinschaft.

6,3 Mrd. Euro in 2012 für Entwicklungszusammenarbeit – nach dem Bildungsetat der einzige Haushalt, der trotz Finanz- und Schuldenkrise einen Zuwachs zu verzeichnen hat.

Gut, niemand verlangt oder erwartet ernsthaft von uns, dass wir alleine, um es einmal mit einer aktuellen Songzeile auszudrücken, „mal eben schnell die Welt retten“ sollen.

Es ist klar, die globalen Herausforderungen in ihrer Komplexität und Größenordnung kann heute keine Nation mehr alleine stemmen. Nicht nur entwicklungspolitisch gesehen sind die Zeiten des Unilateralismus vorbei. Entwicklungszusammenarbeit gelingt nur in gemeinsamer Anstrengung.

Entwicklungspolitik, meine Damen und Herren, das kann man erfreulicherweise feststellen, ist vor diesem Hintergrund im Vergleich zu früher viel pragmatischer und viel professioneller geworden.

Ein Grund dafür mag auch sein, dass sie nicht länger zu den „weichen Politikfeldern“ gerechnet wird, sondern aufgerückt ist ins Zentrum internationaler Kooperationspolitik. Sie ist geradezu die Agenda einer neuen Weltinnenpolitik geworden.
Die Zeiten von „Brunnenbohren in Birkenstock“ sind vorbei.

Dafür spricht nicht zuletzt auch das überdurchschnittliche Engagement ganz neuer Mitspieler:
Nach Berechnungen der „Financial Times“ soll China in den vergangenen 2 Jahren 110 Milliarden USD an Entwicklungsländer verliehen haben. Das übersteigt – damit die Größenordnung klar wird – das Budget der Weltbank.

Wer sich die Entwicklungszusammenarbeit der Chinesen näher anschaut, dem wird schnell klar, wie im klassischen Sinne realpolitisch hier Entwicklungszusammenarbeit betrieben wird – Kritiker sprechen bereits offen von einem Neokolonialismus.

Es sind nicht selten chinesische Firmen, chinesische Produkte und chinesische Arbeiter, die die chinesische Entwicklungszusammenarbeit umsetzen – und es ist kein Zufall, dass die geförderten Entwicklungsländer zu den rohstoffreichen Ländern zählen.

Da betreiben wir, das kann ich hier sagen, schon eine sehr stark werteorientierte Entwicklungszusammenarbeit. Wir achten auf Rechtstaatlichkeit, Demokratie und Menschenrechte. Und wir achten und respektieren die Interessen der Menschen vor Ort. Wir begegnen unseren Partnern auf Augenhöhe. Hilfe zur Selbsthilfe. Nicht Hilfe zur Abhängigkeit ist unser Motiv.

Aber ich füge auch hinzu, es ist an der Zeit, dass auch wir dazulernen und beides – Werte und Interessen – zu einer ganzheitlichen und ausgewogenen Entwicklungszusammenarbeit verknüpfen. Denn für mich sind die beiden keine Gegensätze. Ich will darauf später noch einmal eingehen.

Neuerungen in der EZ

Meine Damen und Herren, was hat sich alles verändert, was ist neu in der Entwicklungszusammenarbeit heute?

Wir haben es nach dem Fall der Mauer weltweit mit einer demokratischen Aufbruchsstimmung zu tun: Der politische Frühling reicht von Nordafrika bis nach Myanmar! Das verändert die Kooperationsformen der Entwicklungszusammenarbeit, das stärkt die Rolle der Zivilgesellschaft und die der NGOs.

Wir haben es mit einer neuen Gruppe von aufstrebenden Wachstumsökonomien, den sogenannten Schwellenländern oder BRIC-Staaten zu tun! Das zwingt zu einer differenzierteren Politik der Ausgestaltung von Entwicklungszusammenarbeit, einer Partnerschaft auf Augenhöhe. Aber es gibt uns auch den Auftrag mit auf den Weg, diese Länder darauf hinzuweisen, dass auch sie sich an der gemeinsamen Verantwortung für die Lösung der globalen Probleme beteiligen müssen.

Wir haben es heute vor allem mit Problemen zu tun, die an den nationalen Grenzen nicht Halt machen. Wenn auf den Philippinen oder auf Indonesien der Tropenwald abgeholzt wird und Palmölplantagen für Biotreibstoffe entstehen, dann gefährdet das nicht nur die Autonomie der indigenen Bevölkerung oder die Biodiversität der Region, sondern hat unmittelbar Auswirkungen auf das gesamte Klima.

Wir haben es schließlich heute mit einer neuen Form medialer Vernetzung zu tun: Internet, Facebook und Twitter können nicht nur Revolutionen in Nordafrika auslösen, mit ihnen können wir beispielsweise auch Gutscheine für Nahrungsmittel direkt aufs Handy eines Hungernden in der Sahel-Zone „simsen“.

Meine Damen und Herren, das zeigt, wie komplex und vielschichtig das Feld der Entwicklungszusammenarbeit geworden ist. Ich möchte hier nicht auf alle Baustellen der Entwicklungszusammenarbeit im Detail eingehen – wie wir die MDGs bis 2015 erreichen wollen, wie wir den Ländlichen Raum neu entdecken und fördern wollen, wie wir neue Formen der zivil-militärischen Zusammenarbeit weiterentwickeln wollen, wie wir das Thema Gender zum Erfolg verhelfen wollen, wie wir die Megacities von morgen regierbar machen wollen?

Ich möchte hier mehr auf die grundsätzliche Neuausrichtung der deutschen Entwicklungspolitik eingehen, und das auch mehr mit Blick darauf, wo die Wirtschaft, wo die Unternehmen gefragt sind, wo sie aufgefordert sind, mitzumachen.

Ich will dies an 3 Leitsätzen deutlich machen:

HANDEL  STATT  HILFE

Meine Damen und Herren, Hilfe zur Selbsthilfe war eigentlich immer schon das Credo deutscher Entwicklungszusammenarbeit. Aber die Betonung lag lange Zeit einseitig auf der Hilfe – und diese Hilfe kam lange Zeit, weil wir sehr staatsgläubig waren, nur von staatlicher Seite.

Wir haben aus den Fehlern der allgemeinen Budgetpolitik gelernt, das heißt einfach Geld in die Haushalte der Empfängerländer zu pumpen und darauf zu hoffen, dass durch eine Art Osmose das Geld nicht in korrupten Kanälen versickert. Diese Praxis haben wird beendet und hier eine notwendige Neuorientierung vorgenommen, ja man kann sagen einen Paradigmenwechsel.

Diese Neuausrichtung lässt sich schon an der Fachterminologie ablesen: Wir reden nicht länger von der AID Effectiveness, sondern betonen die DEVELOPMENT Effectiveness!

Das tun wir übrigens im Konsens mit der internationalen Gebergemeinschaft, wie auf der Busan-Konferenz im Dezember letzten Jahres deutlich geworden ist. Hier war man sich einig: Entwicklungszusammenarbeit soll weg von der Hilfsperspektive hin zur Entwicklungsperspektive!

Hilfe zur Selbsthilfe, meine Damen und Herren, bedeutet eben nicht, den mühsamen Erwerb der Fähigkeit, sich aus eigener Kraft weiterzuentwickeln, abzunehmen, sondern zu unterstützen – und wenn nötig, zu erleichtern.

Es gibt ein schönes afrikanisches Sprichwort, das besagt, wer die Arme anlehnt, dem kann nicht geholfen werden, nur wer die Arme ausstreckt, dem kann man unter die Arme greifen.

Aus der Erziehungspsychologie kennen wir das Phänomen der „erlernten Hilflosigkeit“. Verhinderte Eigeninitiative bedeutet immer auch verhinderte Entwicklung, bedeutet verhinderte Mündigkeit in Eigenverantwortung.

Das erleben wir leider auch und gerade immer wieder in der Entwicklungszusammenarbeit. Statt Mündigkeit produzieren wir Abhängigkeit.

Die Entwicklungsländer aber sollen lernen, „Ownership“ zu übernehmen – ihre Regierungen müssen lernen, für sich, für ihr Land, für ihre Bewohner Verantwortung zu übernehmen, also good governance zu praktizieren.

Und es gibt noch ein interessantes Phänomen aus der Lernpsychologie, das „Lernen am Erfolg“. Wir müssen also Eigeninitiative und die Übernahme von Selbstverantwortung in kleinen Schritten „step by step“ – abfordern und belohnen. Ich will das einem konkreten Beispiel anschaulich machen:

Ich habe mit einer AwZ-Delegation im letzten Jahr ein Kleinbewässerungsprojekt in Bélédougou in Mali besichtigt. Hier mussten die Dorfbewohner, wollten sie Hilfe bekommen, sich selbst erst einmal um ein Projekt der Entwicklungszusammenarbeit bewerben.
Dann mussten sie ein Staudammkomitee gründen. Dort mussten sie selbst festlegen, wer welche Eigenleistungen in Form von Arbeit und Finanzierungsbeiträgen zu erbringen hatte.
Die Entwicklungshelfer der GIZ standen natürlich beratend zur Seite. Aber Unterstützung erfolgte immer nur nach Erreichung von klar vereinbarten Zwischenzielen.

In das Projekt mussten zugleich ökologische Aufforstungsmaßnahmen und Schulungsmaßnahmen integriert werden. Es wurden zudem Kleinkredite für die sachgerechte Lagerung und Weiterverarbeitung der geernteten Feldfrüchte vergeben, aber auch für den Aufbau einer Infrastruktur, insbesondere diverser Handwerke.

Es wurden Straßen zur Erschließung der regionalen Märkte gebaut und neue Vertriebswege erschlossen. Das aufgestaute Wasser wurde zugleich zur Fischzucht genutzt.

Am Ende konnte nicht nur die eigene Ernährung sichergestellt, sondern, und das war das Entscheidende, auch ein gewinnbringender Handel aufgebaut werden, der Anreiz für eine weitere Optimierung bot. Auch für die Instandhaltung aller Anlagen übernahm das Dorfkomitee die Verantwortung. Inzwischen bieten die Dorfbewohner ihre Beratungsdienste anderen Nachbargemeinden an.

Ein gutes Beispiel für einen gelungenen Ansatz von Hilfe zur Selbsthilfe.

Meine Damen und Herren, an diesem Beispiel kann man noch etwas lernen. Damit sich eine selbstragende Entwicklung einstellt, braucht es vor allem die Möglichkeit zum Handel – ich füge hinzu, zu einem fairen Handel.

Das geht natürlich nicht, und das sage ich durchaus selbstkritisch, wenn wir wettbewerbsverzerrende Schutzprivilegien für nationale Wettbewerbsverweigerer – auch wenn sie sich hinter der EU verstecken – aufrechterhalten.

Wir brauchen DOHA, aber wir können nicht warten, bis DOHA kommt. Wir brauchen jetzt rasch die EPAs, also die Freihandelsabkommen der EU mit den Ländern Afrikas, der Karibik und des Pazifiks, den sog. AKP-Staaten, in Verbindung mit der Abschaffung von Exportsubventionen.

Die jungen Unternehmer in den Entwicklungsländern, meine Damen und Herren, müssen freien Zugang zu den Märkten und damit die Chance auf Erfolg bekommen – das ist der beste Anreiz, das beste Vorbild für eine Weiterentwicklung.

Würden wir das überall hinbekommen, meine Damen und Herren, dann hätten wir sofort um ein vielfaches mehr für die Entwicklungsländer erreicht als wir in einem Jahr weltweit insgesamt an Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit aufbringen.

Der zu Unrecht im Schatten von Theodore Roosevelt stehende amerikanische Präsident William Howard Taft hat das einmal auf den Punkt gebracht: „I am in favour of helping the prosperity of all countries because, when we are all prosperous, the trade with each becomes more valuable to the other.“

Das ist ein typisch amerikanischer Ansatz – und ein guter, wie ich finde, dem wir alle folgen sollten.

Wenn wir also alle mithelfen, den Handel in den Entwicklungsländern in Gang zu bringen, dann ist das die beste Hilfe, die wir leisten können. Das geht nur im Dreiklang von Staat, Zivilgesellschaft und – Wirtschaft.

Das bringt mich zu meinem nächsten Leitsatz: QUALITÄT  STATT  QUANTITÄT

Mit der Paris Declaration von 2005 hat endlich ein ökonomisches Umdenken Einzug in die Entwicklungszusammenarbeit gehalten.
Es soll zukünftig um Ownership, Ergebnisorientierung und gegenseitige Rechenschaftspflichten gehen. Es soll mehr Wert auf Transparenz und Evaluierung gelegt werden.
Das zu leisten, dafür wird im BMZ ein eigens hierfür gegründetes Evaluierungsinstitut zuständig sein.

Die Bundesregierung wird in der Entwicklungszusammenarbeit in Zukunft stärker auf Qualität und Wirksamkeit setzen. Warum?

Erstens, weil wir erkennen müssen, dass der Glaubenssatz „je mehr Geld desto mehr Entwicklung“ ein frommer Selbstbetrug war.

Zweitens, weil wir unsere Verantwortung gegenüber dem Steuerzahler ernst nehmen.

Drittens, weil wir – und das sage ich ganz offen – knapp bei Kasse sind. Die Schulden- und Finanzkrise hat den politischen Handlungsraum schrumpfen lassen. Wir müssen also den Wirkungsgrad unserer Mittel erhöhen.

Viertens schließlich, weil die Entwicklungsländer selber Wert auf Ergebnisorientierung legen. Unlängst hat es die Afrika-Direktorin Sipho Moyo von ONE auf den Punkt gebracht: „Für die Menschen in Afrika kommt es noch mehr auf Ergebnisse an. Für sie bedeutet der Erfolg eines Projektes den Unterschied zwischen guter und gar keiner Gesundheitsversorgung, zwischen sicherem und gar keinem Wasser, zwischen solider Schulbildung und Analphabetismus.

Meine Damen und Herren, das Prinzip Wirksamkeit gilt für alle und für alles.

Das fängt beim BMZ und seinen Durchführungsorganisationen selbst an. Hier hat in den letzten beiden Jahren ein echtes Change Management stattgefunden – eine der größten Organisationsreform in der Geschichte des Hauses.

Mit der neuen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) wurden Doppelstrukturen abgebaut, 17.000 Mitarbeiter weltweit arbeiten jetzt unter einem Dach und geben der deutschen Entwicklungszusammenarbeit ein Gesicht. Anstelle von 3 unabhängigen Durchführungsorganisationen zuvor.

Damit wurden zugleich jahrelange vom DAC der OECD beklagte Steuerungsdefizite beseitigt. Die Frage, ob der Schwanz mit dem Hund oder der Hund mit dem Schwanz wedelt, ist vernünftigerweise damit zugunsten der Politik entschieden.

Wollen wir die Wirksamkeit unserer Entwicklungspolitik verbessern, meine Damen und Herren, dann müssen wir auch die Kohärenz der Politik verbessern.

Außenwirtschaftspolitik, Umweltpolitik und Sicherheitspolitik dürfen nicht länger isoliert betrieben werden, sie müssen besser abgestimmt und zu einem ganzheitlichen Ansatz verzahnt werden.

Auf der EU-Ebene, und das ist auch von EU-Kommissar Piebalgs für die EU-Strategie der Entwicklungszusammenarbeit der nächsten Dekade so angedacht, muss eine ökonomische Arbeitsteilung her: Welches Land hat welche „assets“? Wo soll, wo kann die EU alleine aktiv werden?

Auf der multilateralen Ebene geht es darum, eine geradezu babylonische Verwirrung aufzulösen. Ich war erst im Dezember wieder auf Haiti. Hier treten sich rund 80.000 NGOs gegenseitig auf die Füße. Wir können sehr viel für die Erhöhung der Wirksamkeit unserer Entwicklungszusammenarbeit tun, wenn es uns gelingt, die Vielzahl der Einzelspieler zu einem echten Team zusammenzuschweißen. Denn wie sagen die Amerikaner: „There is no I in TEAM.“

Meine Damen und Herren, wir wollen die gesamte Programmierung der Entwicklungszusammenarbeit auf Wirksamkeit ausrichten.

Die Weltbank geht hier mit ihrem „Program for Results (P4R)“ richtungsweisend voran: Auszahlungen erfolgen nur noch bei Erreichung konkreter Ergebnisse.

Dieses Prinzip kann man „heruntertrickeln“ bis auf die Instrumentenebene von „conditional aid“. Wie gut das funktioniert, davon berichtete mir die indonesische Planungsministerin bei meinem letzten Besuch: Mütter erhalten hier beispielsweise vom Staat eine zusätzliche Unterstützungsleistung nur unter der Bedingung, wenn sie ihre Kinder in die Schule schicken. Die Schulquote konnte damit binnen kurzer Zeit rasant gesteigert werden.

Wirksam – also effektiv und effizient – sollen die Maßnahmen der Entwicklungszusammenarbeit sein.

Effizient sein bedeutet, die Dinge richtig zu tun.

Effektivität bedeutet, die richtigen Dinge zu tun.

Ich will das noch einmal am Beispiel des Themas Nahrungsmittelsicherheit verdeutlichen.

Ein kleines Rechenbeispiel: Ich sagte bereits, heute leben 7 Milliarden auf unserem Planeten – 2050 werden es wahrscheinlich 9,5 Milliarden sein. Wie schwierig es ist, bevölkerungspolitisch diesem Trend gegenzusteuern, das brauche ich Ihnen nicht zu erklären.

Wenn wir diese Menschen ernähren wollen, dann brauchen wir 2050 rund 50% mehr Nahrungsmittel.

Die Landmengen aber sind nicht beliebig erweiterbar, im Gegenteil: 40% der Böden, die der Landwirtschaft zur Verfügung stehen, sind bereits degradiert, also unbrauchbar.

70% der Nahrungsmittelproduktion weltweit entfallen auf 525 Millionen Kleinbetriebe. Auf dem „Erdgipfel“ in diesem Jahr in Rio wird es darum gehen, die Investitionen in die kleinbäuerliche Landwirtschaft zu erhöhen.

Die FAO hat vorgerechnet, dass man mit zusätzlichen 40 Mrd. USD pro Jahr an öffentlichen Agrarfördergelder soviel an Privatinvestitionen in der Landwirtschaft anstoßen könnte, dass damit das Hungerproblem in den nächsten 15 bis 20 Jahren gelöst wäre.

So sinnvoll die Förderung der kleinbäuerlichen Landwirtschaft auch aus soziokulturellen Gründen sein mag, damit alleine werden wir, wenn wir ehrlich sind, die zusätzlichen Milliarden Menschen nicht ernähren können.

Ich denke, wir haben gute Chancen, diese Herausforderung zu bewältigen, wenn wir das Problem unter dem Aspekt Wirksamkeit angehen, und zwar von beiden Seiten, der Produktions- und Konsumseite. Dazu muss man folgendes wissen:

Auf der Produktionsseite gehen jährlich 1/3 der angebauten Lebensmittel auf dem Transportweg verloren oder müssen aufgrund falscher Lagerung verrotten.
Mit relativ einfacher Technik ließe sich dieses Problem lösen. Wir haben uns das in der Republik Niger in der Sahel-Hunger-Zone angeschaut. Kombiniert mit dem Programmansatz „food for work“ könnte damit zugleich für mehr Beschäftigung gesorgt werden.
Es kann und darf einfach nicht sein, ist aber leider immer noch so, dass man auf Delegationsreisen erlebt, wie durch hohen Aufwand gewonnenes Wasser dann aus einer löchrigen Gießkanne in glühendheißer Mittagssonne auf extrem wasserverbrauchende Gemüsestecklinge gegossen wird und, weil es keinen Sonnenschutz gibt, sofort verdunstet, so dass nur ein Bruchteil von der Pflanze aufgenommen wird.

Umgekehrt landet die Hälfte aller Nahrungsmittel in den hochentwickelten Ländern – also auch bei uns – auf dem Müll. Allein in Europa werden jährlich 3 Millionen Tonnen Brot in die Tonne geworfen.
Auch unsere Essgewohnheiten bleiben nicht folgenlos: Für 1 kg Rindfleisch braucht es „virtuell“ 16.000 Liter Wasser.
Unser Lebensmittelmüll trägt übrigens mehr zur Klimaerwärmung bei als alle Autoabgase zusammen weltweit.
Ich erinnere hier nur an den beeindruckenden Film von Valenthin Thurn „Taste the Waste“. Hier sind wir als Verbraucher gefragt, unser Verhalten auf den Prüfstand zu stellen.

Wer die Wirksamkeit von Entwicklungszusammenarbeit erhöhen möchte, meine Damen und Herren, der muss nicht nur mehr Kohärenz in der Politik herstellen, der muss vor allem auch für mehr Kooperation aller „stakeholder“ sorgen.

Dies bringt mich zu meinem dritten Punkt: KOOPERATION  STATT  KONFRONTRATION

Dieser Leitsatz, meine Damen und Herren, zielt direkt auf die Wirtschaft. Wir wollen für die zukünftige Entwicklungszusammenarbeit beides: Mehr Wirtschaft wagen und mehr Wirtschaft einbinden!

Die Entwicklungszusammenarbeit war lange, zu lange ausschließlich eine Domäne des Staates. Der Staat sollte es richten. Die Wirtschaft hatte außen vor zu bleiben:

Am deutlichsten wird dies an der immer wieder bemühten ODA-Quote von 0,7%, die sich ja ausschließlich auf staatliche Leistungen bezieht. Wir haben das als internationale Verpflichtung zugesagt. Das ist richtig und wichtig und dazu stehen wir auch. Aber wir dürfen auf diese Zahl nicht starren wie das Kaninchen auf die Schlange. Warum?

Nun, wenn es stimmt, dass das Produktivitätswachstum sehr stark mit der Armutsreduktion korreliert, wie uns ökonomischen Studien zeigen, dann brauchen wir weniger Staat und mehr Wirtschaft, nämlich mehr Direktinvestitionen in die Entwicklungsländer, also mehr Engagement ausländischer Unternehmen vor Ort.

Und wenn es ferner stimmt, dass die Entwicklungsländer von heute die Schwellenländer von morgen sind, dann brauchen wir ein Umdenken in unserer Entwicklungszusammenarbeit.

Will heißen, wir brauchen eine Verzahnung unserer Außenwirtschaftspolitik mit der Entwicklungszusammenarbeit.

Es geht hierbei um die Erschließung neuer Absatzmärkte – beispielsweise im „Base of the pyramid“-Bereich. Die Vergabe von Kleinkrediten beispielsweise war so eine erfolgreiche „blue ocean“-Strategie.

Meine Damen und Herren, es geht auch um Rohstoffpartnerschaften. Deutschland ist extrem importabhängig bei fast den meisten Rohstoffen – systemisch für die Schlüsseltechnologien bei den Seltenen Erden mit so schillernden Namen wie Neodym.

Es geht hierbei aber nicht um schnellen Profit, um einseitige Interessensicherung. Unser Weg ist ein Weg der Partnerschaft zu beiderseitigem Nutzen. Wir wollen eine Win-Win-Situation.

Unternehmen schaffen Arbeitsplätze, sorgen für berufliche Ausbildung, halten soziale und ökologische Standards ein, zahlen Steuern zur Sicherung der Infrastruktur, im Gegenzug erschließen sie sich neue Absatzmärkte, rekrutieren junge Fachkräfte, verbessern ihre Wettbewerbsfähigkeit – und tun im Übrigen noch etwas Gutes.

Warum soll das kein Mehrwert sein – auch im moralischen Sinne?

Womit könnte man anfangen? Ich denke, Deutschland könnte beispielsweise die Führungsrolle auf dem Geschäftsfeld der erneuerbaren Energien übernehmen. Ich habe auf meinen Reisen immer wieder festgestellt, wie groß hier der Bedarf ist. Aber, meine Damen und Herren, ich sage auch, die Zeit drängt, weil auch hier die Chinesen mächtig drängen.

Es ist das erklärte Ziel dieser Bundesregierung, die Wirtschaft als neuer Partner der Entwicklungspolitik ins Boot zu holen:

Es gibt hierfür eine neue Servicestelle für die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft,
es gibt sogenannte EZ-Scouts zur Beratung von deutschen Unternehmen,
es gibt die Initiative mit den deutschen Außenhandelskammern, die bereits heute rund 100 Projekte der Entwicklungszusammenarbeit koordinieren,
es gibt die PPP-EZ-Fazilität, und
es gibt auf der Unternehmerseite Sequa als Durchführungsorganisation.

Meine Damen und Herren, wir sind auf einem guten Weg. Und wir sind nicht allein auf diesem Weg. Auf der Konferenz in Busan Ende letzten Jahres war allgemeiner Konsens, dass der privatwirtschaftliche Sektor stärker als bisher in die Entwicklungszusammenarbeit eingebunden werden soll. Unter dem Leitbild „aid for trade“ soll er zum Motor einer nachhaltigen Entwicklung in den Entwicklungsländern werden.

Was wir noch zusätzlich brauchen, das sind Finanzierungsinstrumente für KMUs, die sich in Entwicklungsländern engagieren wollen. Die Banken in den Ländern selbst haben so etwas nicht im Angebot, die deutschen Banken scheuen Aufwand und Risiko. Gerade die KMUs liegen mir besonders am Herzen – sie möchte ich ermutigen, sich in die Entwicklungszusammenarbeit einzubringen, nicht zuletzt auch zu ihrem eigenen Vorteil!

Wir sind auch dankbar dafür, dass Unternehmen Corporate Social Responsibility auf ihre Fahnen geschrieben haben. Ich mache kein Geheimnis daraus, es gibt Bestrebungen in der Politik, nicht nur bei uns, aus einer freiwilligen „Responsibility“ eine gesetzlich vorgeschrieben „Accountability“ zu machen. Das ist nicht mein Ansatz. Ich setze auf die ökonomische Vernunft der Unternehmen, die zugleich eine praktische Vernunft ist.

Und an dieser Stelle möchte ich Dank sagen an AmCham Germany, die sich diesem Thema besonders widmen und ein eigenes CSR-Committee haben. Dazu gibt es auch zusammen mit dem FAZ-Institut nun schon in 6. Auflage herausgegeben eine sehr informative Publikation mit einer Vielzahl von Beispielen aus der CSR-Unternehmenspraxis.

Auch die wachsende Bedeutung von Stiftungen begrüßen wir, die sich in Entwicklungsländern engagieren. Die „Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung“ zählt wohl zu den bekanntesten und größten und leistet im Gesundheitsbereich Beachtliches.

Was wir allerdings kritisch beobachten und nicht wollen, dass wäre eine ungleiche Arbeitsteilung nach dem Prinzip des „Rosinenpickens“. Die privaten Stiftungen suchen sich die berechenbaren, technisch einfach umsetzbaren, schnell machbaren, und medienwirksam inszenierbaren Projekte heraus und dem Staat bleiben die undankbaren Restaufgaben: komplex, langwierig, risikobelastet.

Hier sollte man sich an einen Tisch setzen und ein Memorandum of Understanding vereinbaren, mit dem man Synergien bewirken kann.

Spekulation auf Lebensmittel

Meine Damen und Herren, lassen sie mich zum Schluss noch auf einen etwas heiklen Punkt der Kooperation mit der Wirtschaft eingehen – es betrifft die Finanzwirtschaft:

Wir haben in den letzten Jahren Billionen in die Finanzmärkte gepumpt, um ein Bankensystem zu stabilisieren, dass sich längst von der Realwirtschaft abgekoppelt hat. Für mich als Unternehmerin hat die Geldwirtschaft damit ein gutes Stück ihrer dienenden Funktion für die unternehmerische Wirtschaft verloren.

Wenn man sich auf der anderen Seite die direkte und indirekte Wirkung von Kleinkrediten für die Ärmsten in den Entwicklungsländern anschaut, dann müsste eigentlich jedem einleuchten, wo dieses um den Globus vagabundierende Geld wirksamer hätte eingesetzt werden können – in jeder Hinsicht.

Ich war zuletzt auf Mindanao und in Niamey und habe mir Kleinkredit-Projekte angeschaut, in denen Frauen – und es sind überall auf der Welt zumeist Frauen, die richtig gut mit Geld umgehen können – sozusagen eine Art globalisierte schwäbische Hausfrau.
Auf jeden Fall Projekte, in denen Frauen mit diesen Kleinkrediten ein Unternehmen gründen, und damit nicht nur den Lebensunterhalt ihrer Familien bestreiten, sondern neue Arbeitsplätze schaffen und den Ausbau der Infrastruktur befördern – also eine realwirtschaftliche Hebelwirkung erzeugen.

Auf der anderen Seite stehen Spekulanten, die mit dem Handel von virtuellen Getreidemengen die Lebensmittelpreise künstlich in die Höhe treiben, stehen Banken, die ihre Kunden mit hohen Renditen für „Wetten auf den Hunger“ anlocken.

Und wenn man weiß, dass jedes Prozent mehr Rendite bedeutet, dass 16 Millionen Menschen mehr in ihrer Ernährung akut bedroht sind, dann hat dieses Treiben nichts mehr mit meinem Verständnis von Sozialer Marktwirtschaft zu tun. Das sage ich als Politikerin, aber auch als Unternehmerin.

Ich begrüße es, dass hier auf internationaler Ebene allmählich ein Umdenken einsetzt. Am Rande der IWF-Tagung im letzten Jahr haben sich die G20-Finanzminister dankenswerterweise darauf verständigt, für Einzelhändler eine Kaufobergrenze von 5% der maximalen Handelsmenge einzuführen.

Es ist vielleicht an der Zeit, meine Damen und Herren, und ich sage das ganz bewusst hier im Kreise von Unternehmern, dass wir als Unternehmer, insbesondere wir Mittelständler, uns gegen diese Auswüchse des Bankensystems zur Wehr setzen, weil es weder unseren eigenen Interessen noch unserem Selbstverständnis vom Unternehmertum gerecht wird. Der ehrbare Kaufmann ist für mich keine leere Worthülse, sondern ein werteorientiertes wirtschaftliches Selbstverständnis.

Meine Damen und Herren, sehr oft, wenn ich sage, ich engagiere mich auch in der Entwicklungspolitik, dann höre ich das Argument, auch von vielen Bürgerinnen und Bürgern, was haben eigentlich 50 Jahre Entwicklungspolitik gebracht? Was habt ihr bewirkt?

Noch immer leben Millionen Menschen in Armut, haben keinen Zugang zu Bildung, leiden an Krankheiten, sind unterernährt.

Und nicht selten höre ich da auch etwas Mitleid mit meiner Profession oder Resignation gegenüber der Dimension der Aufgabenstellung heraus.

Ich kann natürlich mit Erfolgsstatistiken argumentieren oder sagen, wo stünden wir heute, hätten wir nichts getan?

Ich kann aber auch – auch mir selbst gegenüber sagen – und das ist mein Selbstverständnis als Politikerin und als Unternehmerin – Probleme sind dazu da, gelöst zu werden. Darin liegt das Herausfordernde wie Sinnstiftende. Der große Philosoph Sir Raimund Popper hat das einmal auf die schöne Formel gebracht, „Alles Leben ist Problemlösen“! Und ich füge hinzu, das kann unheimlich viel Spaß machen!

Und noch ein Gedanke zum Schluss: Erfolgreich zu sein, setzt zwei Dinge voraus: Klare Ziele zu haben und den brennenden Wunsch, sie zu erreichen.

Die Ziele der Bundesregierung habe ich Ihnen nun dargestellt. Bitten möchte ich Sie als Vertreter der Wirtschaft mit uns und einem brennenden Herzen an der Realisierung dieser Ziele mitzuwirken.

Dabei sollten wir uns von folgenden Dreiklang leiten lassen:

1. Menschen liebend.
2. Leben ehrend.
3. Zukunft sichernd.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen noch einmal ein gutes und erfolgreiches neues Jahr 2012.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit!

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