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Dieser Artikel stammt aus der Zeit meiner politischen Arbeit bis Oktober 2017 und kann überholte Informationen enthalten.

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„Ägypten braucht jetzt revolutionäre Geduld“ Keynote Speech von Dagmar G. Wöhrl, MdB

„Ägypten braucht jetzt revolutionäre Geduld“ Keynote Speech von Dagmar G. Wöhrl, MdB 13.09.2011, 10.15 Uhr, Veranstaltung der KAS Ägypten „Economic Reform and Social Justice: Egyptian-German Experiences“, Marriott Hotel, Cairo, Zamalek„Ägypten braucht jetzt revolutionäre Geduld“
Keynote Speech von Dagmar G. Wöhrl, MdB
13.09.2011, 10.15 Uhr, Marriott Hotel, Cairo, Zamalek
Veranstaltung der KAS Ägypten „Economic Reform and Social Justice: Egyptian-German Experiences“

Exzellenzen, sehr verehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen der Konrad-Adenauer-Stiftung, lieber Herr Dr. Jacobs,

ich freue mich gerade in Zeiten wie diesen; in Zeiten von großer historischer Bedeutung; in Zeiten der Erneuerung, des Umbruchs und des Wandels nach Ägypten kommen zu können.

Was als vereinzelte Stimmen der Verzweiflung in den Ländern Nordafrikas und des Nahen Ostens begonnen hat, hat sich in den letzten Monaten zu einem unüberhörbaren Chor der Entrüstung entwickelt, dessen Melodie von Freiheit, Chancengleichheit und Menschlichkeit in Tunis, in Kairo, in Saana ebenso wie in Benghazi oder Damascus zu hören war. Diese Rufe von menschlicher Würde werden in der ganzen Welt gehört und wir stimmen gemeinsam mit unseren Freunden in der arabischen Welt ein.

Eine weise und weltweit geschätzte deutsche Stimme sagte bereits 1948: „Die persönliche Freiheit ist und bleibt das höchste Gut des Menschen.“ Die Richtigkeit dieses Zitats wurde über die Jahrzehnte immer wieder neu demonstriert. Es stammt von Konrad Adenauer. Und gleichsam möchte ich mich bei der Konrad-Adenauer-Stiftung für die Einladung und die Organisation der heutigen Veranstaltung bedanken.

Wir alle wissen, dass mit der “Jasminrevolution” in Tunesien eine neue Zeitrechnung in der arabischen Welt begonnen hat:
– Sei es der Sturz von Husni Mubarak in Ägypten
– die dramatischen Ereignisse der vergangen Wochen in Libyen
– oder nehmen wir die Demokratiebewegungen im Jemen, in Syrien, Algerien, Jordanien oder Bahrain.

Millionen Menschen in der Region fordern mit Nachdruck mehr Demokratie, mehr Mitspracherechte und politische Beteiligung.
Die politischen Umbrüche in dieser Region – in Nordafrika und Nahost – sind von großer historischer Bedeutung.

Der Ausgang der Entwicklung ist derzeit noch nicht absehbar – aber ein Zurück zu den alten Verhältnissen ist schwer vorstellbar.
Die Menschen haben genug von Bevormundung, Unterdrückung und fehlenden Lebensperspektiven.

An dieser Stelle können gerade wir aus Deutschland mit der Bevölkerung der nordafrikanischen Staaten fühlen.
Vor gut 20 Jahren haben sich in unserem Land ähnlich wichtige Umbrüche ereignet, als die Bürger der ehemaligen DDR mit dem gleichen Ruf nach Demokratie und Mitspracherechten auf die Straße gingen, um ihr Leben endlich in Freiheit führen zu können.

Revolutionäre Geduld

Man muss jedoch wissen: der Aufbau von demokratischen Institutionen sowie die wirtschaftliche Sanierung braucht Zeit. Unsere Erfahrungen in Deutschland zeigen das. In einer derartigen Situation sprechen wir nicht von Jahren, sondern von Jahrzehnten. Ein Wandel dieses Ausmaßes wird nicht leicht erreicht. Auf diesem Weg wird es gute Tage und schlechte Tage geben. Macherorts wird der Wandel schnell verlaufen, in anderen langsamer.

Deshalb müssen wir die Menschen vor Ort mitnehmen. Sie müssen spüren, um welch großartiges Ziel es geht. Und sie müssen wissen, dass man Geduld braucht.
Revolutionen verlaufen nicht linear. Es geht also nicht stetig vorwärts oder bergauf. Nachdem die ersten Wellen der Euphorie abgeebbt sind, folgen nicht täglich neue Glücksmomente. In einer solchen Durststrecke, einem solchen Plateau, bevor es wieder entscheidende und neue Impulse durch die Wahlen geben wird, befinden sich nach meiner Einschätzung momentan Ägypten und Tunesien. Was die Menschen jetzt benötigen ist eine revolutionäre Geduld.

Gerade in dieser Phase benötigen die Menschen in Nordafrika Freunde, die ihnen zur Seite stehen und soweit wie möglich unterstützen, die Orientierung, Hoffnung und den Mut nicht zu verlieren.

Hierbei gibt es zwischen den Ländern sowohl Parallelen, aber auch länderspezifische Unterschiede.
Gemein haben dabei alle betroffenen Staaten, dass sie einen Balanceakt zwischen den hohen Erwartungen und dem Druck eines Teils der Bevölkerung nach Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Gerechtigkeit einerseits und dem – von breiten Bevölkerungsschichten geteiltem – Interesse an Stabilität sowie dem Schutz der Interessen der Militärführung andererseits. Dies kann schnell und zuweilen auch zu einem Drahtseilakt werden.

Wir wissen, Erfolge in Ägypten und Tunesien sind von zentraler Bedeutung für die weitere Entwicklung in der gesamten Region.
Dabei kommt es ganz besonders darauf an, jungen Menschen neue Perspektiven zu bieten, d.h. politische Teilhabe zu ermöglichen und natürlich auch neue Arbeitsplätze zu schaffen.
Und es waren diese Defizite oder anders gesagt, die schiere Hoffnungslosigkeit in diesem Bereich, die Auslöser für die politischen Umbrüche waren.

Deutsches Engagement

Deutschland hat schnell versucht, auf die neue weltpolitische Situation zu reagieren.
Es ist für uns immer wichtig, demokratischen und reformorientierten Kräften in Ägypten und der Region beratend zur Seite zu stehen.
Bei meinem Treffen mit der ägyptischen Ministerin für internationale Zusammenarbeit, Frau Fayza Mohamed Aboul Naga, hat sie mir noch einmal bestätigt, dass Deutschland einer der wichtigsten Partner des ägyptischen Volkes in der Vergangenheit war, nun während des Transformationsprozesses ist und auch in Zukunft sein wird.

Denn im Unterschied zu anderen Ländern, sei Deutschland keine Kolonialmacht gewesen; es gäbe also keine historischen Konflikte. Das Vertrauen sei sehr groß und auch ich hoffe, dass wir diesem Anspruch gerecht werden können. Dabei habe ich betont, dass wir Ägypten auf gleicher Augenhöhe sehen und nur helfen werden, wenn wir darum gebeten werden. Aber dann helfen wir mit all unseren Mitteln, wie wir dies auch in der Vergangenheit getan haben.

Gründungsphase der Demokratie

Für mich persönlich ist entscheidend für die Zukunft der Region, dass die Gründungsphase der Demokratien, d.h. das jetzt und hier; und dies bedeutet klarer ausgedrückt: Wir müssen jetzt die richtigen Weichen stellen.

Das spiegelt sich auch in der Politik Deutschlands mit den Staaten Nordafrikas und dem Nahen Osten wider:
Es besteht eine neue Balance aus Fördern und Fordern, mit finanziellen Druck auf mehr Good Governance, mit mehr Transparenz und mehr Rechenschaftslegung, mit mehr regionaler Arbeit jenseits von korrupten Regierungen, mit konkreten Projekten statt mit Schecks für allgemeine Budgethilfen, mit mehr bilateral statt multilateral und mit Druck auf die Mobilisierung von Staatsgeldern der Partnerländer.

Wir machen nicht wie früher freundliche Geldüberweisungen, wir machen nicht Charity, sondern wir machen Investment, für bessere Lebenschancen der Menschen in unseren Partnerländern und in Deutschland.

Klar ist: Um Perspektiven für junge Menschen zu schaffen, brauchen wir einen Dreiklang: Demokratie, Bildung und Wirtschaft!

Auch wenn die Länder im Nahen Osten und in Nordafrika sich stark voneinander unterscheiden, stehen doch manche vor ähnlichen Problemen und Herausforderungen:

Es gilt, demokratische Strukturen neu zu entwickeln und behutsam aufgebaut zu werden.
Was mir auf meiner bisherigen Reise durch Ägypten noch einmal viel klarer geworden ist: Wir müssen unsere Erwartungshaltung ändern. Es wird keine ägyptische Demokratie nach europäischen oder westlichen Vorbild geben. Ägypten ist ein mehrheitlich muslimisch geprägtes Land. Es gibt eine ganz andere Tradition und eine ganz andere Vorstellung von der Zukunft des Landes, als wir uns dies vielleicht in Deutschland vorstellen oder wünschen.

Besonders eindringlich wurde diese Erkenntnis beim Betrachten von zwei Fotos von den Abschlussklassen der Universität von Kairo. Einmal aus dem Jahr 1973 und einmal aus dem Jahr 2008. 1973 hat eine Frau auf dem Foto Kopftuch getragen. 2008 hat eine Frau kein Kopftuch getragen.

Auch in den deutschen Medien wird die Situation häufig zu rosig dargestellt: Die Entwicklungen sind weit weniger fortgeschritten, als es die zahlreichen Berichte in der deutschen Presse nahelegen. Und wir müssen das Tempo vor Ort auch respektieren lernen.

Ägypten wurde einen Großteil seiner Geschichte von fremden Mächten beherrscht. Die große Leistung der vergangen Monate ist, dass die Menschen sich erhoben haben und erkannt haben, dass sie ihr Schicksal in die eigene Hand nehmen und selbstbewusst Forderungen stellen können.

Jetzt muss dieses neue Verständnis aber noch weiterentwickelt werden, denn langfristig wird man nur mit kontraproduktiven Demonstrationen nicht viel erreichen. Man muss gemeinsam nach Lösungen suchen, und dabei auch einmal Abstriche in Kauf nehmen.

Auch habe ich den Eindruck, dass die Rolle des Militärs in Ägypten im Ausland zum Teil unterschätzt wird. Bei einem Spaziergang durch die islamische Altstadt Kairos hatte ich die Möglichkeit mit Straßenhändlern und Ladenbesitzern, Hausfrauen und Jugendlichen zusprechen.

Man ist sich nicht einmal einig, ob die Entwicklungen vor Ort eine Revolution darstellen oder nicht. Viele sind der Meinung, dass zwar der Diktator weg sei, nicht aber die Diktatur. Vielleicht könnte man die Umwälzung so ein schätzen: halb Revolution, halb Militärputsch. Denn das Militär hat zwar Mubarak fallen lassen, nicht aber die Strippen der Macht.

Deutsche Entwicklungszusammenarbeit

Vor diesem Hintergrund lässt sich für die deutsche Arbeit in Ägypten folgende Gebiete als wichtig herauskristallisieren:

1. Gute Regierungsführung und Rechtsstaatlichkeit, um zum Aufbau einer pluralistischen und partizipativen Gesellschaft beizutragen
2. Bildung und Ausbildung, um die Chancenungleichheit im Bildungssektor abzubauen
3. Medien- und Meinungsfreiheit, um den Übergang von staatlich gelenkten zu freien Medien zu ermöglichen
4.Beschäftigung,
um die weitere Verarmung der Bevölkerung zu verhindern und um den Menschen und vor allem den Jugendlichen, Perspektiven zu eröffnen
5. Sozial- und marktwirtschaftlich orientierte Wirtschaft, um die Wettbewerbsfähigkeit der Region zu verbessern und Wirtschaftswachstum zu fördern
6. Stärkung der Zivilgesellschaft
7. Aufbau und Stärkung einer demokratischen Kontrolle des Sicherheitssektors durch Parlament, Exekutive, Justiz und Zivilgesellschaft.
8. Auch die EU erarbeitet derzeit ein kurz- und mittelfristiges Maßnahmenpaket zur Unterstützung der Transformationsprozesse.
Deutschland wird bei der Gestaltung der europäischen Aktivitäten eine führende Rolle übernehmen.

Lassen Sie mich kurz die Sofortmaßnahmen der deutschen Bundesregierung vorstellen:
Deutschland hat kurzfristig 3 Fonds eingerichtet und dafür Mittel bereitgestellt.

Demokratieförderungsfonds:
Zur Unterstützung des demokratischen Wandels hat unser Ministerium einen struktur- und ordnungspolitischen Beratungsfonds eingerichtet.
Mehr als sechs Millionen Euro stehen für Sondermaßnahmen der politischen Stiftungen und kirchlichen Hilfswerke vor Ort bereit.
Sie sollen die Zivilgesellschaft unter anderem dabei unterstützen, sich zu organisieren und unabhängige politische Parteien aufzubauen.
In beiden Ländern werden Maßnahmen aus dem Fonds bereits aktiv umgesetzt.

Bildungsfonds:
Unser Ressort unterstützt ein Regionalprogramm zur Qualifizierung und Beschäftigung junger Menschen mit 8 Millionen Euro.
Bis zu 70 Prozent der Bevölkerung in der Region sind junge Menschen.
Ziel des Fonds ist es, der jungen Generation Bildungs- und Entwicklungsperspektiven zu eröffnen.
Das Vorhaben umfasst unter anderem arbeitsmarktorientierte Aus- und Weiterbildungsangebote sowie Existenzgründungsprogramme für Jugendliche.

Wirtschaftsfonds:

Im Rahmen der Finanziellen Zusammenarbeit hat unser Ministerium einen Regionalfonds für Kleinst-, Klein- und mittlere Unternehmen eingerichtet.
Er dient der Refinanzierung von Mikrofinanzinstitutionen in der Region.
Mit einem Volumen von 20 Millionen Euro soll der Fond lokalen Banken helfen, Existenzgründerdarlehen und Investitionskredite ausgeben zu können.
Damit sollen auch neue Arbeitsplätze im Bereich der Kleinst- und Kleinunternehmen entstehen.

Made in Egypt

Denn viel zu häufig orientieren, sich die Unternehmen in der Region nur an den Produkten des täglichen Lebens. Die Patentanmeldungen gehen gen null. Aber gerade in dem Bereich der Forschung und Innovation gilt es jetzt zu investieren, um so ganz neue Arbeitsplätze zu schaffen.

3 Wörter sollen künftig auf der Welt zu lesen sein, die für Freiheit, Qualität und Einfallsreichtum gepaart mit Tradition stehen:
– Made in Egypt.
– Made in Tunisia.
– Made in Libya.

National Employment Pact

Ich möchte hierbei noch auf ein ägyptisches Phänomen eingehen: Während in den meisten Entwicklungs- oder Schwellenländern vor allem gutausgebildete Ingenieure, Akademiker, etc. fehlen, haben wir in Ägypten eine andere Situation.

Es gibt hier zu viele Akademiker, die keine Arbeit finden. Dies liegt daran, dass in der Gesellschaft sogenannte „Blue collar“ Jobs – also Handwerks- und Industrieberufe – vollkommen verpönt sind. Dies wiederum führt dazu, dass in Ägypten viele Gegenständige oder Häuser, Maschinen, etc. nicht repariert werden können, weil schlicht das Know-how fehlt. Und dadurch lässt sich der oftmals katastrophale Zustand von Gebäuden oder Industrieanlagen erklären, denn die Dinge werden einfach so lange benutzt, bis sie überhaupt nicht mehr funktionieren.

Bestenfalls werden sie dann durch neue ersetzt; meistens bleiben aber die kaputten Gegenstände oder heruntergekommen Häuser einfach stehen. Deshalb müssen wir versuchen die Berufe des Handwerks wieder attraktiv zu machen, denn dies ist der einzige Sektor, auf dem nachhaltig eine große Zahl von neuen Arbeitsplätzen geschaffen werden können.

Hier setzen wir konkret mit einem National Employment Pact an. In Kooperation mit der Industrie- und Handelskammer vor Ort und ägyptischen Unternehmen, der GIZ und der deutschen Botschaft soll ein aktiver und nachhaltiger Beitrag zur Beschäftigungsförderung geleistet werden. Ziel der Initiative ist die Schaffung von mehr langfristigen Jobs, die auch nach Ablauf des Programm weiter bestehen bleiben.

Dies wollen wir zum einen mit dem Aufbau eines Zentrums zur Berufsorientierung und Arbeitsvermittlung erreichen. Zum anderen – wie bereits angesprochen – durch eine Promotion von Blue Collar-Berufen und der Schaffung einer Akzeptanz dieser Berufe in der Bevölkerung.

Denn eines muss uns klar sein: In den nächsten Jahren werden aufgrund des rasanten Bevölkerungswachstums über 50. Mio. neue Arbeitsplätze in Nordafrika gebraucht. Deshalb müssen wir jetzt entschieden handeln, denn wenn es den neuen Regierungen in der Region nicht gelingt, neue Arbeitsplätze zu schaffen, werden sich diese 50. Mio Menschen aus schierer Hilfs- und Hoffnungslosigkeit in Boote setzen und nach Europa kommen. Und dann sprechen wir nicht mehr von ein paar Tausend Flüchtlingen auf Lampedusa. Dann sprechen wir über eine neue Weltordnung.

Zusammenfassung Wirtschaft

Lassen Sie mich betonen, wovon ich überzeugt bin: Dauerhafte Arbeitsplätze kann nur die Wirtschaft schaffen.
Länder wie Tunesien und Ägypten bieten hervorragende Investitions- und Absatzmöglichkeiten für die europäische Wirtschaft.
Es gilt daher, im gemeinsamen Interesse ‚Mehr Wirtschaft für mehr Entwicklung‘ zu nutzen.

Um die wirtschaftlichen Beziehungen auch nach den politischen Umstürzen in der Region fortzusetzen und zu befördern, veranstalten z.B. der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) mit den AHK’en aus der Region (Nordafrika und Nahost) derzeit in ganz Deutschland Expertengespräche und Informationsveranstaltungen für deutsche Unternehmer, die in der Region investieren möchten.

(DIHK und AHK’en vermitteln persönliche Kontakte und Fachwissen über den Investitionsstandort – und unterstützen so beim Markteintritt.)
Deutsche Unternehmen gelten in der MENA-Region als verlässliche Geschäftspartner, ihre Produkte genießen einen exzellenten Ruf.
Nordafrika ist von wachsender Bedeutung für die deutsche Industrie, vor allem für die Energiewirtschaft, die Textil- und KFZ-Produktion, öffentliche Infrastruktur (Strom- und Wasserversorgung und Transportwesen).

Zudem gewinnen auch Umweltaspekte wie Abwasserbehandlung oder Müllentsorgung zunehmend an Gewicht.
Branchen wie Energieeffizienz und erneuerbare Energien stehen zwar noch am Anfang, haben aber ein immenses Potenzial. (Bsp. ‚Desertec‘ zur Produktion von Solarenergie in Nordafrika und ihr Transport in die Verbrauchszentren der EU.)

Die deutschen Exporte in den MENA-Raum sind 2010 gegenüber dem Vorjahr um 14 Prozent gestiegen.
Deutsche Unternehmen bewerten die politischen Übergangsprozesse in Ägypten, Tunesien (und den Nachbarstaaten) positiv.
Schließlich benötigen sie für ein Engagement langfristige Stabilität und Rechtssicherheit.

Im Rahmen der Aktivitäten dieser drei Fonds und auch darüber hinaus soll die Rechtssicherheit in der Region verbessert werden.
Dazu werden beispielsweise lokale Menschenrechtsaktivisten durch Fachkräfte des Zivilen Friedensdienstes unterstützt, für lokale Menschenrechtsorganisationen werden Trainingsmaßnahmen gefördert.

Die BMZ-Menschenrechtsfazilität für Nichtregierungsorganisationen reserviert 2011 bis zu 40 Prozent ihrer Mittel (3 Millionen Euro) für Projekte zur Stärkung der Menschenrechte in der Region.

Durch gezielte Fortbildungsangebote der Deutschen Welle-Akademie für freie Journalisten, Blogger, Journalistikstudenten und Nutzer von sozialen Netzwerken soll außerdem die Presse- und Meinungsfreiheit in der Region gefördert werden.

Grundsätzlich gilt für alle deutschen Aktivitäten in der Region: Wir werden kein Land von außen demokratisieren. Aber wir helfen gerne, wenn wir gefragt werden.

Mittelfristige Maßnahmen

Mittelfristig wird die deutsche Bundesregierung (über BMZ und Parlament) den Demokratisierungsprozess in der Region durch folgende Maßnahmen unterstützen:
Unter anderem werden sie die politische Partizipation, insbesondere junger Menschen, stärken und unabhängigen Journalismus und freie Medien fördern.
Aber auch die Beratung neu entstehender politischer Parteien und die Begleitung anstehender Wahlen sind wichtige Arbeitsbereiche der politischen Stiftungen.

Im Rahmen eines bereits bestehenden Regionalvorhabens zur Förderung der wirtschaftlichen Integration von Frauen soll ein Netzwerk der Unternehmerinnenverbände aufgebaut werden.

Durch ein Sonderprogramm zur Hochschulförderung werden entwicklungsbezogene Studiengänge und Stipendienprogramme aufgebaut.
Außerdem wird die Qualität der bereits bestehenden Kooperationshochschulen in Tunesien, Ägypten, Syrien und Jordanien gesichert.
Die Umsetzung des Programms übernimmt der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD).

Auch die Förderung der nationalen Menschenrechtsinstitutionen in der Region wird intensiviert.
In Ägypten, Marokko, Jordanien, Katar und in den Palästinensischen Gebieten gibt es bereits akkreditierte nationale Menschenrechtsinstitutionen.
Der weitere Aufbau von Kapazitäten und die Bildung von Netzwerken soll durch die deutsche Entwicklungszusammenarbeit unterstützt werden.

Zusammenfassung

Auch wenn eine langfristige politische und wirtschaftliche Stabilität noch nicht erreicht ist und die Eskalation in Libyen und Syrien die Reformerfolge der Nachbarstaaten überschattet:
Die tunesischen Jasmin- und die ägyptische Lotusrevolution haben das Gesicht Nordafrikas schon heute nachhaltig verändert.
Ich bin sehr froh, dass in Rahmen dieser Konferenz so hochrangige Vertreter verschiedener Disziplinen über die Auswirkungen diskutieren werden, die die Umwälzungen in Nordafrika (hier und in der Welt, auch in Deutschland) haben, über den Beitrag, den Politik und Wirtschaft zur Demokratisierung der Region leisten können, und über die Chancen und Risiken, die sich für die wirtschaftliche Entwicklung vor Ort ergeben.

Schlusswort

Die Bundesrepublik Deutschland wurde mit der Überzeugung gegründet, dass alle Macht vom Volke ausgehen sollte. Diese mahnenden Worte sehe ich jeden Tag bei meiner Arbeit im Deutschen Bundestag über dem Eingang stehen. Jetzt müssen wir unseren Freunden in aller Welt zur Seite stehen, die für ihre Rechte kämpfen, in der Überzeugung, dass ihr Erfolg eine friedlichere, eine stabilere und eine gerechtere Welt schaffen wird.
Injustice anywhere is a threat to justice everywhere.

Thank you!
Vielen Dank !
Ich wünsche Ihnen und uns einen anregenden Austausch und eine gute Diskussion.

„Ägypten braucht jetzt revolutionäre Geduld“ Keynote Speech von Dagmar G. Wöhrl, MdB 13.09.2011, 10.15 Uhr, Veranstaltung der KAS Ägypten „Economic Reform and Social Justice: Egyptian-German Experiences“, Marriott Hotel, Cairo, Zamalek

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  1. Ägyptens Revolution ist alles andere als vollendet. | Dagmar G. Wöhrl - 7. Februar 2012

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