Erst im März 2011 war der Jurist Dr. Lobsang Sangay mit knapp 55 % aller Stimmen zum neuen „Kalon Tripa“, so nennen die Tibeter das Amt des Ministerpräsidenten, der Exil-Tibeter gewählt worden und löste den Dalai Lama als bisherigen Chef der tibetischen Exilregierung ab.
Der Dalai Lama ist somit seit dem 8. August diesen Jahres, an dem Tag wurde Dr. Lobsang Sangay offiziell in sein Amt eingeführt, erstmals „nur noch“ geistliches Oberhaupt. „Diese Umstrukturierung ist ein historisches Ereignis, denn der Dalai Lama hatte seit seinem 16. Lebensjahr ohne Unterbrechung sowohl die geistliche als auch die politische Führung der Exil-Tibeter inne. Dr. Lobsang Sangay hat große Fußstapfen zu füllen.“, so Dagmar Wöhrl, Vorsitzende des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung im Deutschen Bundestag, kurz vor dem Treffen in Berlin.
Allgegenwärtig bei dem Gespräch waren die zahlreichen Fälle von Selbstverbrennungen, die sich vor allem in letzter Zeit gemehrt hatten. Diese Verzweiflungstaten zeigen, wie tragisch die Situation der Tibeter sein muss und wie ausweglos ihre derzeitige Lage zu sein scheint. „Gerade erst hat sich die Zahl auf 12 Selbstverbrennungsopfer erhöht. Die schreckliche Tragödie scheint kein Ende zu nehmen, aber so geschockt ich von den Bildern auch bin, bezweifle ich, ob diese Art des Protests letztlich der richtige Weg ist“, so Wöhrl.
Auch Sangay zeigt sich betroffen von den Ereignissen in Tibet und sieht ein Ende der Selbstverbrennungserie darin, dass den Tibetern Hoffnung gegeben werden muss, damit sie ihre Lage nicht mehr als derart aussichtslos ansehen. Neben den Menschenrechtsverletzungen sei aber auch die Problematik der Ausbeutung ihrer Ressourcen durch China ein wichtiges Thema in Tibet, welches es zu lösen gilt, so Sangay.
Wöhrl erklärte hierzu: „Ich teile die Einschätzung von Hr. Sangay und befürchte des Pudels Kern chinesischer Tibet-Politik sind die unschätzbaren Reichtümer des Himalaya. Und dabei spreche ich nicht von Gold, Silber oder besonderen Erden, sondern von Wasser. Damit befindet sich Tibet im Zentrum des drohenden Konflikts der Wasserversorgung Asiens, denn Tibet hat die zehn größten Flüsse Asiens und ist somit Lebensquelle für 47 % Weltbevölkerung. Im Gegensatz zu China respektieren die Tibeter die Natur und die Bedürfnisse Ihrer Nachbarn. China baut unzählige Staudämme, wobei die Konsequenzen für die Nachbarvölker und das Öko-System nicht absehbar sind.“
Den sog. „Arabischen Frühling“ sieht Sangay als Inspiration für Tibet an. Nicht nur der Islam, sondern auch der Buddhismus und Hinduismus sei mit dem Prinzip der Demokratie kompatibel, so die Aussage von Sangay. Zudem ist der neue Ministerpräsident gewillt die Erwartungen des Dalai Lama zu erfüllen und dessen Vision einer wirklich säkularen, demokratischen Gesellschaft fortzuführen und umzusetzen.
Comments are closed.