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Dieser Artikel stammt aus der Zeit meiner politischen Arbeit bis Oktober 2017 und kann überholte Informationen enthalten.

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Auf arabischen Frühling darf kein Herbst der Tränen folgen – MdB Dagmar G. Wöhrl zu den aktuellen Geschehnissen in Ägypten

Dagmar G. Wöhrl mit Dr. Morsy, Vorsitzender der Partei Freiheit und Gerechtigkeit (politischer Fluügel der Muslimbruüder)Die Vorsitzende des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung im Deutschen Bundestag, Dagmar G. Wöhrl, erklärt zu den schwersten Ausschreitungen seit dem Sturz von Husni Mubarak: „Ich war erst vor Kurzem auf einem Arbeitsbesuch in Ägypten und habe vor Ort die angespannte Stimmung in der Bevölkerung wahrgenommen. Dabei muss man sich verdeutlichen, dass Revolutionen nicht linear verlaufen. Es geht also nicht stetig vorwärts und bergauf. Nachdem die ersten Wellen der Euphorie im Frühjahr abgeebbt waren, folgten nicht täglich neue Glücksmomente. In einer solchen Durststrecke, einem solchen Plateau, bevor es hoffentlich wieder entscheidende und neue Impulse durch die Wahlen geben wird, befindet sich momentan Ägypten. Ich sehe in Ägypten die Gefahr, dass auf den arabischen Frühling ein Herbst der Tränen und der Ernüchterung folgt.“

Menschen- und Bürgerrechte gewährleisten
Wöhrl weiter: „Die koptischen Christen gehören heute genauso wie in der Vergangenheit zu Ägypten und machen fast 10 % der Bevölkerung aus. Die Aufgabe der Übergangsregierung muss es auch sein, die Menschen- und Bürgerrechte zu schützen, gleich welchen Glaubens. Im „neuen Ägypten“ sollte ein Klima der religiösen Toleranz und der freien Religionsausübung herrschen. Das Land braucht jetzt kulturelle, religiöse und gesellschaftliche Vielfalt und nicht die Einfältigkeit von Radikalen. Auf meiner Reise traf ich mich auch mit koptischen Christen, die sich sehr um ihren Platz in der ägyptischen Gesellschaft sorgen.“

 

Schleppende Entwicklung nach Revolution
„Bei meinen Gesprächen mit Ägyptern ist deutlich geworden, dass viele Menschen das Gefühl haben, dass zwar der Diktator weg ist, nicht aber die Diktatur. In der Tat sehe ich auch Gefahren für den Demokratisierungsprozess. Die Verschiebung der Wahlen war sinnvoll, damit die neuen politischen Kräfte Zeit bekommen sich zu organisieren. Jetzt darf es aber keine weiteren Verzögerungen mehr geben. Denn es besteht eine gefährliche Gemengelange zwischen Kräften des alten Systems, die den Wandel hin zu einem demokratischen und gerechten Ägypten systematisch unterwandern und den neuen politischen Kräften, die durch ihre starke Zersplitterung und nicht vorhandene Wahlkampferfahrung kaum Chancen haben, das Land neu zu gestalten.“

 

Wirtschaft muss gestärkt werden
„Die ägyptische Bevölkerung wächst um 1,9 % p.a. – um dies aufzufangen, wäre ein jährliches Wirtschaftswachstum von 8-9% notwendig. Letztes Jahr lag das Wirtschaftswachstum bei 4,7 % und in diesem Jahr rechnen wir mit ca. 1%. Die wirtschaftliche Situation wird sich also erst noch verschlimmern, bevor sie besser werden kann. Hinzu kommt ein Gastarbeiterrückstrom aus Libyen, der dramatische Folgen hat, denn die Arbeiter haben mit dem in Libyen verdienten Lohn ganze Familien in der ägyptischen Heimat ernährt. Wenn man bedenkt, dass die Demonstrationen begonnen haben, weil vor allem junge Menschen keine Perspektive auf dem Arbeitsmarkt hatten, wird es in absehbarer Zeit keine Besserung geben.“

 

Wöhrl geht auf den Tourismus ein:
„Der Tourismus ist einer der entscheidenden Wirtschaftszweige, der wieder belebt werden muss, denn Ägypten nimmt damit jährlich ca. 6 Mrd € ein. Über 6 Mio Menschen leben vom Tourismus. Aufgrund der Revolution wird es in Ägypten wohl einen Einbruch dieses Sektors um über 50 % in 2011 geben. Da sind neuerliche Unruhen sicherlich nicht hilfreich. Bei meinem Treffen mit Dr. Morsy, Vorsitzender der Partei Freiheit und Gerechtigkeit (politischer Flügel der Muslimbrüder) habe ich die schwierige Lage im Tourismussektor angesprochen und auch die Muslimbrüder aufgefordert, einem touristenfreundlichen – d.h. weltoffenen und friedlichen – Klima in Ägypten nicht entgegenzuwirken.“

Pressemitteilung, 13. Oktober 2011

Dagmar G. Wöhrl mit Dr. Morsy, Vorsitzender der Partei Freiheit und Gerechtigkeit (politischer Fluügel der Muslimbruüder)

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