In der neuen Bundesregierung ist die Stadt Nürnberg nicht vertreten; quasi als Entschädigung gibt es den Vorsitz zweier Ausschüsse im Bundestag.
Bei der Bildung der Bundesregierung war die Stadt Nürnberg ziemlich schlecht davongekommen. Sie durfte weder einen Staatssekretär noch einen Minister stellen, ist also im Kabinett Merkel voraussichtlich vier Jahre lang nicht vertreten. Nun haben die Koalitionsparteien für eine gewisse Wiedergutmachung gesorgt: Der Vorsitz in zwei von 22 Bundestagsausschüssen geht voraussichtlich an Nürnberger Abgeordnete.
Martin Burkert (SPD) wird den einflussreichen Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur leiten. Hier geht es um viel Geld — nicht zuletzt für Verkehrsprojekte in Franken, die der 49-Jährige vielleicht mit anschieben kann. Der Sozialdemokrat war gestern noch im Urlaub und erklärte unserer Redaktion per Telefon, wie sehr er sich auf die neue Aufgabe freue. Das sei schließlich exakt sein Themengebiet.
Bahn-Gewerkschafter Burkert war in den vergangenen drei Jahren Vorsitzender der SPD-Landesgruppe im Bundestag gewesen, hatte aber immer auch Verkehrspolitik betrieben. Dass er mit dem zuständigen Minister Alexander Dobrindt nun ein CSU-Gegenüber hat, mit dem er eng zusammenarbeiten muss, schreckt ihn nicht. „Wahlkampf ist erst wieder im Sommer 2017“, sagt er.
Der zweite Nürnberger Ausschussvorsitz geht mit größter Wahrscheinlichkeit an Dagmar Wöhrl (CSU). Sie darf, wie schon in den zurückliegenden vier Jahren, dem Ausschuss für Entwicklungszusammenarbeit vorstehen. Das ist zwar noch nicht amtlich, weil die Landesgruppe erst am kommenden Montag darüber abstimmt, aber von den Spitzengremien ist es so vorgesehen.
Dagmar Wöhrl war zuvor — von 2005 bis 2009, also während der ersten Großen Koalition unter Angela Merkel — Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium gewesen. Sie kann sich über den Vorsitz insbesondere auch deswegen freuen, weil der CSU nur zwei solcher Posten zustehen. Den anderen (Wirtschaft) erhält der bisherige Verkehrsminister Peter Ramsauer — als Ausgleich dafür, dass er von Horst Seehofer ziemlich schnöde abserviert worden war.
Von den insgesamt 22 Ausschüssen gehen zehn an die CDU, sieben an die SPD und jeweils zwei an die etwa gleich großen Parteien CSU, Linke und Grüne. Die prominenteste Besetzung dürfte der Christdemokrat Norbert Röttgen sein, der dem als äußerst edel bezeichneten Auswärtigen Ausschuss vorsteht. Dieser Posten darf als ein Comeback des Ex-Umweltministers betrachtet werden, der bei der Kanzlerin in Ungnade gefallen war.
Als der wichtigste Ausschuss schlechthin gilt der für den Haushalt. Hier wird um die Etats für die Ministerien gestritten und entschieden. Traditionell geht der Vorsitz an die größte Oppositionspartei — jetzt: die Linke. Gesine Lötzsch soll trotz mancher Bedenken von Union und SPD wegen kommunismusfreundli- cher Äußerungen den Posten erhalten. Ihr Kollege Kersten Steinke ist für den Petitionsausschuss vorgesehen.
Ein bekanntes Gesicht in der Runde der Ausschussvorsitzenden ist Renate Künast von den Grünen. Nachdem sie als Berliner Bürgermeisterkandidatin gescheitert war und weder auf Partei- noch Fraktionsvorsitz Chancen hatte, dürfte der Chefsessel im Rechtsausschuss wenigstens ein kleiner Trost für die Juristin sein. Neben dem Rechtsausschuss erhalten die Grünen auch ihren „Herzensausschuss“, den für Umwelt. Hier entsenden sie die ehemalige Umweltministerin Nordrhein-Westfalens, Bärbel Höhn.
So lange wie jetzt hat es in der Bundestagsgeschichte noch nie gedauert, ehe die Ausschüsse ihre Arbeit aufnehmen konnten. Bis die ersten Sitzungen stattfinden, werden seit der Wahl fast vier Monate verstrichen sein. Übergangsweise kümmerte sich ein verfassungsrechtlich umstrittener, für alles zuständiger „Hauptausschuss“ um die wichtigsten Themen.
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