Das wohl einzigartige Epitaphien-Ensemble auf den Nürnberger Friedhöfen St. Johannis und St. Rochus soll im Bereich „immaterielles Kulturgut“ Unesco-Weltkulturerbe werden. Die Bewerbung muss bis Ende Oktober eingereicht sein.
Kein Schnellschuss!
Auf ein Jahr Vorarbeit blicken die vier Initiatoren zurück. „Ich habe viel gelernt in diesem Jahr“, gibt Dagmar Wöhrl, Bundestagsabgeordnete und Parlamentarische Staatssekretärin a. D. zu, und skizziert den komplizierten Vorgang der Bewerbung. An ihrer Seite: Epitaphienkünstler Thomas Haydn, Stadtheimatpflegerin Claudia Maué und Thomas Weitzenfelder, Vertreter des künftigen Fördervereins zum Erhalt und zur Weiterentwicklung der Nürn- berger Epitaphienkultur.
Wenigen Nürnbergern dürfte präsent sein, welchen Schatz offenbar Johannis- und Rochusfriedhof bergen – nun soll dieser auf Weltkultur-Ebene ins Bewusstsein gehoben, bewahrt und weiterentwickelt werden. Vermutlich weist weltweit kein anderer Ort eine derart hohe Dichte an Gedenktafeln aus Bronze- und Messing, sogenannten Epitaphien, auf. Seit über 500 Jahren haben sich die vielgestaltigen Dokumente erhalten und bilden gemeinsam mit den in jüngerer Zeit entstandenen Exemplaren eine bedeutende wie originelle Chronik der Stadtgeschichte.
Die Idee der Bewerbung im Bereich „immaterielles Kulturerbe“, so Wöhrl, reifte bei einem Stadtteilspaziergang im Frühjahr 2014. „Klar haben diese Tafeln, so denkt man zunächst, etwas Morbides. Doch Thomas Haydn hat die Thematik derart mit Leben erfüllt, dass wir überlegten, wie man das Ganze schützen, erhalten und weiterentwickeln kann.“ Im kleinen Kreis traf man sich in Berlin und stellte das Unternehmen umsichtig auf eine breitere Basis.
„Stets mit dem Anliegen, dass es ein Nürnberg-Thema, keine parteipolitische Sache wird“, betont Haydn. „Es ist ein Baustein für das Fundament, auf dem diese Kultur wachsen kann und stärker den Weg in das Bewusstsein der Nürnberger findet.“
Frank Matthias Kammel, Leiter der Skulpturensammlung des Germanischen Nationalmuseums (GNM) und Peter Fleischmann, Leiter des Staatsarchivs Nürnberg, verfassten die für die Bewerbung geforderten Empfehlungsschreiben. Kammel unterstreicht hier die herausragende Bedeutung des Nürnberger Kulturschatzes auch auf europäischer Ebene.

Handwerk mit enormer Tradition: „Epitaphien sind wie ein offenes Buch, in dem man Stadtgeschichte lesen kann“, sagt Thomas Haydn (li.). Dagmar Wöhrl und Thomas Weitzenfelder sind fasziniert.
„Uns liegt im wahrsten Sinne des Wortes ein Kulturschatz zu Füßen!“,
Daher seien die Vereinsziele unter anderem „das Digitalisieren, Duplizieren, Erstellen von Ausstellungen und weiterentwickelnde Maßnahmen“. Zudem könne man sich eine Professur für Epitaphienkultur an der 1662 von Jacob von Sandrart gegründeten Kunstakademie vorstellen; Sandrart liege ja auf dem Johannisfriedhof . . .
Zu einer etwaigen Konkurrenz- Situation verschiedener Nürnberger Unesco-Bewerbungen sagte Wöhrl:
„Hier geht es um immaterielles Kulturerbe. Zu diesem Punkt gibt es aus Nürnberg bislang nichts. Die Stadt hat mit dieser Bewerbung auch nichts zu tun.“
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Nürnberger Zeitung
17.10.2015
Von Anabel Schaffer
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