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Dieser Artikel stammt aus der Zeit meiner politischen Arbeit bis Oktober 2017 und kann überholte Informationen enthalten.

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Warum Dagmar Wöhrl zu Twitter zurückkehrte – 21.03.2016, Nordbayerischer Kurier

Twitter wird am Montag zehn Jahre alt. Das 140-Zeichen-Netzwerk wächst in Deutschland zwar nur sehr langsam, aber als Nachrichten-Medium gewinnt es an Bedeutung. Das ist Segen und Fluch zugleich. Vor allem für Politiker, die vermehrt digital beleidigt werden. Anfang vergangener Woche hat die Nürnberger CSU-Bundestagsabgeordnete Dagmar Wöhrl mit einem Blog-Beitrag Aufsehen erregt. Darin schildert sie, warum sie Twitter den Rücken kehrte – und doch wiederkam.

Frau Wöhrl, Sie reden sehr offen über „Twitterland“. Zunächst über sich: CSU, Ü60, Bundestagsabgeordnete – das sei ja für viele nicht unbedingt in Einklang zu bringen mit digitaler Neugierde. Warum nehmen Sie sich so sehr zurück?

Dagmar Wöhrl: Ich muss offen gestehen, dass die ganze Entwicklung mit dem Computer etwas an mir vorbeigegangen ist. Ich war lange ein Fan von Fax und Ausdrucken. Erst mit dem iPhone habe ich ein Medium gefunden, das mir einen Zugang zur digitalen Welt eröffnete. Als mir mein Büro 2009 vorgeschlagen hat, ich solle mit dem Twittern anfangen, da war Social Media und deutsche Politik noch keine große Sache. Social-Media-Manager oder -Berater kamen alle erst in den letzten Jahren auf. Von daher war von Anfang klar, dass ich das selbst mache oder gar nicht.

Sie üben dann Kritik an Ihren Kolleg/innen, schreiben, viele würden Twitter nur zur Zweit- oder Drittverwertung von Pressemitteilungen nutzen – oder die altbekannten Grabenkämpfe austragen. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Wöhrl: Es ist immer ein schmaler Grat zwischen dem Privatmenschen und dem Politiker. Meine Erfahrung sagt mir, dass viele einfach zu viel Angst haben, authentisch zu sein. Ein Tweet ist schnell herausgehauen und genauso schnell auch wieder in den Timelines verschwunden. Es kommt am Ende auf die Twitter-Gesamtschau eines Politikers an.

Sie sprechen von „Dauershitgewitter“ und „Monothematik“ und dass Sie sich daher „entfremdet“ von Twitter zurückgezogen haben. Sicherlich meinen Sie die Flüchtlingsdebatte damit. Wie hart angegriffen hat Sie das, und wo mehr: real oder in der digitalen Welt?

Wöhrl: Die Stimmung im Netz hat sich leider im letzten Jahr verändert. Und ja, ich habe auch schon Morddrohungen bekommen, da schluckt man erst einmal. Aber diese Angriffe kamen bei mir immer nur digital. Persönlich hat mich noch niemand so derb kritisiert wie im Netz. Zur Entfremdung im Netz: Die Lust an der Diskussion ist weniger geworden, da es immer recht schnell unsachlich und radikal wird. Entweder Schwarz oder Weiß, bei Grau hört schon keiner mehr zu. Aber so funktioniert Demokratie nicht. Man muss immer Kompromisse eingehen. Und aus meiner persönlichen Lebenserfahrung weiß ich: Es gibt keine absoluten Wahrheiten.

In 140 Zeichen kann man schnell beleidigen, und auf Twitter springen Hetzern auch schnell Gleichgesinnte bei, die das Kreuzfeuer immer weiter treiben. Andererseits kann man sich seine Filterbubble so bauen, dass hoffentlich keine Monothematik entsteht.

Wöhrl: Wer hätte denn vor ein paar Jahren gedacht, dass die sozialen Medien, die Menschen verbinden sollen, einmal das asozialste Verhalten in den Menschen hervorbringen? Für mich habe ich eine tolle Timeline. Aber natürlich kann ich mir nicht aussuchen, wer mich anschreibt. Ich bin auch absolut kein Fan davon, User zu blocken. Aber in den letzten Monaten ist das natürlich häufiger vorgekommen. Ich habe mir da so eine eigene Regel aufgestellt: Jeder hat eine Beleidigung, einen unterirdischen Tweet gut. Kommt das noch einmal vor, war’s das.

Vorletzte Woche haben Sie dann Twitter „wiederentdeckt“. Und kamen zu dem Schluss, dass es auch Ihr Netzwerk ist und die düstere Seite von Twitter nicht gewinnen darf. Haben Sie keine Angst, dass Sie wieder zur Zielscheibe werden?

Wöhrl: Man wird es nie allen recht machen können. Wichtig ist, dass man authentisch bleibt und zu seinen Themen genauso wie zu seinen Fehlern steht. Ich habe keine Angst zur Zielscheibe von Kritik zu werden. Das gehört zum politischen Alltag. Ich würde mir nur wünschen, dass es wieder mehr konstruktive Kritik wird, denn mit „Thiago oder nix“ kommen wir auf Dauer nicht weiter.

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21.03.2016
Nordbayerischer Kurier
Kerstin Fritzsche

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