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Dieser Artikel stammt aus der Zeit meiner politischen Arbeit bis Okt. 2017 und kann überholte Informationen enthalten.

Meine aktuellen Website finden Sie hier:
→ www.dagmar-woehrl.consulting



Persönlich nachgefragt: Interview mit Dagmar Wöhrl

 “Vorsitzende des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung” zu sein, bedeutet für mich …
… die perfekte Symbiose aus meinen beiden Leidenschaften: Wirtschaft und soziales Engagement.


Gibt es für Sie einen Gedanken von universaler Gültigkeit – privat wie politisch?
Ja, den gibt es:

„Es ist besser, ein kleines Licht zu entzünden, als über große Dunkelheit zu fluchen.“

Deswegen engagiere ich mich ehrenamtlich und bin ich auch einst in die Politik gegangen. Als junge Rechtsanwältin mit kleinem Kind wurde ich damals völlig überraschend gefragt, ob ich mir vorstellen könne, für den Stadtrat zu kandidieren – und das als blutige, parteilose Quereinsteigerin, ganz ohne den klassischen Werdegang: Schülerunion, Junge Union, CSU. Mein Mann hat mich dabei unterstützt, ich kann mich noch an seine Worte erinnern: Wir haben ein Unternehmen und damit auch eine Verantwortung der Stadt und ihren Menschen gegenüber. Man darf nicht nur meckern, man muss auch etwas tun, mitmischen, Flagge zeigen.“ Ein kleines Licht entzünden eben…

Welche Einstellung der Menschen in der Dritten Welt hat Sie besonders beeindruckt?
Der stille Optimismus vieler Einheimischen, die an die Kraft des Zusammenhalts glauben. Das spiegelt sich im afrikanischen Sprichwort wider: „Wenn viele kleine Leute an vielen kleinen Orten viele kleine Dinge tun, können sie das Gesicht der Welt verändern.“ Das ist auch meine tiefe Überzeugung: Wenn wir in Zukunft an einem besseren Ort sein wollen, dann müssen wir die Welt eben zu einem besseren Ort machen.

Erfolgreiche Wirtschaftspolitik muss aus meiner Sicht …
… sich wie ein kluger Gärtner verhalten: Da, wo es notwendig ist – gießen, düngen, Unkraut jäten und den Boden vorbereiten, auf dem alles wächst und gedeiht – aber ansonsten der Entfaltung der Natur freien Lauf lassen! Die beste Sozialpolitik ist daher eine kluge Wirtschaftspolitik. Eine Wirtschaftspolitik, die vor allem Lust auf Leistung macht – schließlich sind die Leistungsbezieher auf die Leistungsträger angewiesen. Wir sind ein ressourcenarmes Land, unser „Erdöl“ sind die vielen klugen Köpfe, die hochqualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die wir haben – das kreative Potenzial der Menschen müssen wir daher mit aller Kraft fördern und nicht lähmen.


Eine familienfreundliche Unternehmenspolitik bedeutet aus meiner Sicht …
… die Chance, Beruf und Familie besser unter einen Hut zu bringen, so dass insbesondere berufstätige und selbständige Frauen ganz ohne Quote weiterkommen und sagen können:
 Die Familie steht mir im Rücken, nicht im Nacken! Mein Traum ist ein kinderfreundliches Land, in dem Frauen ihre Stärken voll entfalten können – Familie und Karriere darf kein Widerspruch sein!


Wie schätzen Sie die heutige Jugend ein?
Unsere Jugend ist kreativer, liberaler und weltoffener denn je. Das merke ich immer wieder, wenn ich in meinem Wahlkreis mit jungen Menschen unterwegs bin. Sie haben einen frischen, durchaus auch ironischen Blick auf die Dinge, stellen überraschende Zusammenhänge her, sind oft kritisch aber lösungsorientiert. Und erstaunlich besonnen. Es ist mir ein großes Anliegen als Politikerin, jungen Leuten hierzulande klare und sichere Perspektiven zu bieten, damit sie sich verwirklichen und der eigenen Zukunft mit Freude und Vertrauen entgegensehen können. Genauso dürfen wir aber die gesamte Jugend in Europa nicht vergessen!

Frauen in der Politik…
… haben einen guten und nüchternen Instinkt für das Machbare und bewirken auf lange Sicht mehr als manche denken mögen. Das sieht man auch bei der Bundeskanzlerin: Angela Merkel hat eine bewundernswert unaufgeregte, uneitle Art, die sich mit politischer Klugheit und strategischem Denken verbindet. Frauen sind oft sachlicher und effizienter als Männer.


Das Wichtigste in der Politik?
Eine Politik für die Menschen machen, nicht für die Wähler.


Sehen Sie sich als eine echte Nürnbergerin trotz Ihrer globalen politischen Aktivitäten?
Waschecht! Nürnberg ist meine Heimat. Ich bin hier aufgewachsen, habe hier gearbeitet und mein ganzes Leben verbracht. Natürlich kann ich auch noch „Nämbercherisch“ reden. Des kenna ma scho no!
Auch mein politischer Lebensweg ist mit Nürnberg eng verbunden, die Jahre im Stadtrat, die Kommunalpolitik. Ich bin der Auffassung, jeder Politiker sollte in der Kommunalpolitik gewesen sein, bevor er in den Landtag, in den Bundestag oder ins Europaparlament geht, um die Zusammenhänge, die Notwendigkeiten vor Ort erkennen zu können.

Was kennzeichnet den typischen Nürnberger?

Der Nürnberger ist zurückhaltend, aber nicht verschlossen. Er ist direkt, aber nicht unhöflich. Ruhig, aber nicht phlegmatisch. Er ist begeisterungsfähig, aber selten überenthusiastisch. 
Kurz: Nürnberger sind gelassene, friedliebende und freundliche Leute. Von ihnen geht häufig eine himmlische Ruhe aus. Und vor allem – auf den Nürnberger ist Verlass. Denn er lebt nach dem Motto: Taten sind Früchte, Worte nur Blätter! So bin ich auch erzogen worden, das hat mich geformt. Meine Oma sagte immer: Taten, nicht Tinte – Ergebnisse, nicht Worte! Diesen gesunden Pragmatismus lebe ich auch in der Politik.

Warum entspricht Nürnberg Ihrem Lebensgefühl?
Nürnberg ist eine facettenreiche, lebendige Großstadt, aber überschaubar genug, um sich geborgen zu fühlen. Egal wo ich in der Welt bin, zieht es mich immer heim. In Nürnberg bin ich zuhause.

Was ist für Sie Kultur?

Gelebte Kreativität, deshalb sage ich auch immer

„created in germany.“

Als ich noch Parlamentarische Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium war, habe ich die Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft ins Leben gerufen. Wir haben inzwischen Zentren in Deutschland, die die Kulturschaffenden mit maßgeschneiderten Förder- und Beratungsprogrammen unterstützen. Für mich gehört die Kultur- und Kreativwirtschaft zum Gesamtfokus moderner Wirtschaftspolitik.

Was inspiriert Sie am meisten – Theater, Musik, Bildende Kunst, Literatur, Ballett, Oper?
Im Grunde interessiert mich alles. Aber wenn ich eines hervorheben müsste, dann die Musik. Und zwar deswegen, weil sie die größte Brücke zwischen den Völkern ist. Man muss kein Hintergrundwissen haben, muss nicht einer bestimmten Kultur entstammen. Musik ist eine „Universalsprache“, die jeder versteht, sie geht direkt ins Blut, sie ergreift einen einfach. 

Als Protestantin im überwiegend katholischen Bayern fühle ich mich …
… heimisch, denn in einem sind sich hier Protestanten und Katholiken einig: 
Nur wer fleißig und hart arbeitet, kann auch gut feiern. Und wir, Bayern, können beides!


Akten zu studieren ist für mich …
… Alltag und oft auch eine Abend füllende Beschäftigung, ich bin nun mal 
ein Aktenmensch. Kreative Lösungsansätze oder gar „Geistesblitze“ brauchen schließlich eine solide Grundlage – sonst hätte auch Edison die Glühbirne nie erfunden.


Was waren die schönsten Erlebnisse in Ihrer Kindheit?
Wenn die ganze Familie zusammen gefeiert hat: Weihnachten, Ostern, Geburtstage und Jubiläen. Es war immer lustig, es herrschte eine herzliche und liebevolle Atmosphäre. Auch die leiblichen Genüsse kamen nicht zu kurz, weil meine Mutter und meine Oma immer ein Essen zaubern konnten, was jedes Mal eine Liebeserklärung an die fränkische Küche war.


Was ist Ihr Lieblingsrezept?
Fränkischer Kartoffelsalat und dazu Nürnberger Rostbratwürste. Und wenn es einen Schmankerl gibt, dem ich niemals widerstehen kann, dann Elisen-Lebkuchen und Chili!


Gibt es jemand, der Sie besonders geprägt hat?
Meine Großmutter, die mich häufig betreute, wenn meine Eltern arbeiten waren, war eine außergewöhnliche Frau. Für sie gab es überhaupt nichts Böses auf der Welt. Da waren alle Menschen lieb. Daraus habe ich meine “Strahlentheorie” entwickelt: Wenn man positive Strahlen aussendet, dann kommen auch positive Strahlen zurück. Das ist meine Lebensphilosophie.


Soziales Engagement ist für mich …
… das, was ich lange vor der Politik und noch lange danach praktizieren werde. 
Mich einzusetzen für Kinder auf der Schattenseite des Lebens und für den Tierschutz, ist eine Herzensangelegenheit.


Wie ist Ihr Verhältnis zu Tieren?
Als Kind wollte ich Tierärztin werden. Ich war schon immer sehr tierlieb – bei uns zu Hause kann man sich überhaupt nicht vorstellen, wie man ohne die Freude an einem vierbeinigen Gefährten leben kann. Zu meiner „erweiterten“ Familie gehören zurzeit drei Hunde.


Engagieren Sie sich für den Tierschutz?
Als Präsidentin des Tierschutzvereins Nürnberg engagiere ich mich sehr für den Tierschutz. Ich finde, Menschsein bedeutet, einfühlsam und rücksichtsvoll mit der Natur und mit allen Kreaturen umzugehen. Die Schöpfung Gottes gilt es zu bewahren. Sonst müssten wir dem bösen Spruch zustimmen:

“Der Mensch ist das einzige Tier, das sich für einen Menschen hält…“


(Kinder-)Armut in Deutschland ist …
… für mich genauso bitter und erschütternd wie die Kinderarmut in Entwicklungsländern. Deswegen versuche ich mit meiner Emanuel Wöhrl Stiftung im In- und Ausland zu helfen, wir haben schon viele Projekte realisiert, besonders im Bildungsbereich.


Ihre Emanuel Wöhrl Stiftung ist neben Afrika auch in Deutschland tätig?
Mir ist es sehr wichtig, mich für meine Heimat einzusetzen, denn es gibt auch hier viele Probleme. Die Emanuel Wöhrl Stiftung unterstützt deshalb zahlreiche Projekte in der Region. Zum Beispiel fördern wir jedes Jahr „TIM e. V.“ Das ist ein türkisch-deutscher Verein, der sich um eine bessere Integration behinderter Kinder bemüht. Auch bei der „Tafel“ sind wir sehr engagiert. Zudem hat jeder Nürnberger Kindergarten in den letzten Jahren naturwissenschaftliche Lern-Technikkästen von uns bekommen. Mit Neugierde und Technikbegeisterung kann man nicht früh genug anfangen! Unser neues großes Projekt ist eine Kooperation mit dem Kindertheater Pfütze in Nürnberg. Wir ermöglichen sozial schwachen Familien einen kostenlosen Theaterbesuch, um so Kinder schon früh an Kultur heranzuführen.

Was halten Sie von sozialen Netzwerken wie Facebook, Twitter und Co.?
Ich nutze sie täglich, für mich als Politikerin sind diese Netzwerke ideal, um mit den Menschen direkten Kontakt in Echtzeit zu pflegen. Ich bekomme Feedback und Anregungen und kann mich leicht über Parteigrenzen hinweg austauschen. Für mich liegt der Schwerpunkt bei Social Media auf „social“ und nicht auf „media“, dies verwechseln Politiker leider zu häufig…Facebook, Twitter und Co. können für mich jedoch letztlich keine Begegnungen und reale Gespräche ersetzen. Ich mag es, meinen Gegenüber anzusehen, seinen Gesichtsausdruck zu lesen. Denn ein warmes Lächeln, Augen, die vor Begeisterung leuchten, ein schelmisches Augenzwinkern oder ein spontanes Schulterklopfen gibt es eben doch nur diesseits des PC-Bildschirms…

Lesen Sie auch Zeitschriften oder Tageszeitungen online?
Aber sicher. Ob SPON, taz, Welt-online oder die Tablet-Version von Nürnberger Nachrichten und Nürnberger Zeitung – die Möglichkeiten, sich auf dem Laufenden zu halten, sind fantastisch. Heute erfährt man die neuesten Nachrichten blitzschnell – über Twitter, Online-Portale, Livestream… Für Informationsdefizite gibt es keine Entschuldigung mehr.



Lesen Sie auch E-Books oder hat das klassische Buch für Sie noch immer Vorrang?
E-Books lese ich vor allem im Urlaub. Das klassische Buch hat bei mir aber immer noch Vorrang. Bei allen praktischen Vorzügen der elektronischen Lektüre – ein wenig seelenlos ist sie schon. Mir fehlt das haptische Erlebnis, das Buch in der Hand zu halten, durchzublättern, die schön gestaltete Titelseite zu streicheln – das „Gesicht“ des Buches… Mehr noch gilt das für Lieblingsbücher, die man schon unzählige Male gelesen hat – sie sind fast schon wie gute Freunde. Die möchte ich in meinem Bücherregal haben und nicht auf dem Bildschirm. Es ist irgendwie eine andere Nähe… 

Womit kann man Ihnen imponieren?
Mit Natürlichkeit! Und mit einer Mischung aus heißblütigem Idealismus, kühlem Urteilsvermögen und erfrischendem Humor. Aber ganz besonders bewundere ich bei Menschen Einfühlungsvermögen und Aufopferungsbereitschaft.

Was tun Sie in Ihrer Freizeit?Dagmar-und-Hans-Rudolf-Woehrl
Mit meiner Familie zusammen sein oder lesen, mit meinen Hunden im Wald spazieren, Musik hören, für den 1. FC Nürnberg fiebern, wenn ein wichtiges Spiel läuft… Und am Sonntag schauen mein Mann Hans Rudolf und ich gemeinsam den Tatort.

Was bedeutet für Sie die Familie?
Rückhalt, Geborgenheit, Unterstützung, geerdet und glücklich sein. Das ist wie mit dem Glauben –beides gibt einem Wurzeln und Flügel zugleich…

Was werden Sie in zehn Jahren machen?
Was ich auch heute mache – viel arbeiten, wenig schlafen. Und ich weiß, was mir auf jeden Fall immer wichtig bleibt – meine Familie, meine Heimatstadt, meine „Stiftungskinder“, der Tierschutz und meine Tierfamilie.

Was ist Ihr Lebensmotto?
Alles, was man macht, mit Freude und Engagement angehen. 
Denn:

Zu tun, was man kann und zu mögen, was man tut – das ist Glück!