Archivinhalt
Dieser Artikel stammt aus der Zeit meiner politischen Arbeit bis Oktober 2017 und kann überholte Informationen enthalten.

Meinen aktuellen Webauftritt finden Sie hier:
→ www.dagmar-woehrl.consulting



Deutschland ist da, wenn man uns braucht – Rede zum Bundeshaushalt 2013 im Bereich Entwicklungspolitik

Rede von DW zum Bundeshaushalt 2013 im Bereich Entwicklungspolitik.

1. Lesung Haushalt 2013
12.09.2012, 10:00 bis 11:30
Redezeit: 12 Minuten

Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Lassen Sie es mich vorwegnehmen: Kritik ist wichtig und angemessene Kritik ist richtig. Aber bevor wir weiterhin den schwarzen Peter hin und her schieben, lassen Sie uns doch einmal schauen, wie berechtigt Ihre (Opposition) Kritik am Haushalt für die Entwicklungszusammenarbeit tatsächlich ist.

Wünschen und fordern, meine liebe Kollegen von der Opposition, das können wir alle. Aber den Worten auch Taten folgen zu lassen, das lässt sich mit unrealistischen Forderungen nun wirklich nicht erreichen.  In der Entwicklungszusammenarbeit mit unseren Partnerländern sind aber Taten gefragt, auch wenn es oftmals nur kleine Schritte sind, die wir machen können. Es geht in erster Linie darum, dass wir die richtigen Akzente in der EZ setzen.

Denn unser vorrangiges Ziel ist die Haushaltskonsolidierung. Nur so können wir garantieren, dass wir unsere Ziele in der Entwicklungszusammenarbeit weiterhin erfolgreich angehen und umsetzen können. Visionen muss man haben und Ziele auch! Verstehen Sie mich nicht falsch! Aber was helfen uns ständige Forderungen nach Mittelerhöhungen, wenn wir uns an anderer Stelle eine Grube schaufeln. Das wichtigste ist doch effiziente Mittelverwendung!

Und es muss einfach einmal ganz klar gesagt werden: Wir haben im nächsten Jahr 100 Millionen Euro mehr Mittel zur Verfügung, können insgesamt mit 6,43 Millarden Euro Entwicklungspolitik machen und den Menschen helfen. Das nenne ich äußerst positiv!
Und wenn wir alle an einem Strang ziehen und gemeinsam mit allen Akteuren in der Entwicklungszusammenarbeit Strategien entwickeln, dann können wir damit sehr viel erreichen.

Denn eines ist ganz klar: Bei all unserer Kritik an diesem und jenem müssen wir ständig überprüfen, wie wir die Mittel noch effizienter einsetzen können.  Das haben wir bereits getan und das werden wir auch weiterhin tun.

Bilanz: Kurzfristige Maßnahmen sind erfolgreich!

Wir haben im laufenden Jahr bereits viel erreicht und  viele haben langfristige Vorhaben umgesetzt. Immer wieder stehen wir aber auch kurzfristig vor Herausforderungen, wo wir den Menschen in akuten Notsituationen zur Seite stehen müssen. Aktuell hat die dramatische politische Situation in Syrien dazu geführt, dass beinahe 200.000 Menschen bereits aus Syrien und vor dem Unrechtsregime Assads geflohen sind. Seit März hat sich die Zahl der Flüchtlinge verzehnfacht!
Der größte Teil dieser Menschen ist in der Türkei und in Jordanien angekommen. Damit  47.000 syrische Flüchtlinge  in Jordanien mit den Nötigsten versorgt werden können, haben wir im August kurzfristig zusätzliche 10 Millionen Euro – insbesondere für die Trinkwasser- und Gesundheitsversorgung – zur Verfügung gestellt.

Langfristige Maßnahmen sind erfolgreich!

Entwicklungspolitik und wirtschaftliche Zusammenarbeit lebt vom Nachhaltigkeitsgedanken und entsprechend agieren wir auch. Wir reagieren also nicht nur, sondern wir agieren auch! Die vorläufige Bilanz für 2012 zeigt uns: Das, was wir uns im Koalitionsvertrag für die Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zum Zeil gesetzt haben,  läuft erfolgreich und die Planung für 2013 ist dementsprechend gut.
Lassen Sie mich nur einige wenige Aspekte herausstellen:

Kommunen und Kirchen

Am 01. Januar hat die Servicestelle für bürgerschaftliches und kommunales Engagement in der Entwicklungspolitik in Bonn, „Engagement Global“, ihre Arbeit aufgenommen.  Die Servicestelle ist Ansprech- und Beratungsstelle für Bürgerengagement. Dort werden 145 Millionen Euro Fördermittel umgesetzt.

Da können wir hier in Berlin noch so viel planen – nur wenn wir es schaffen, den zivilgesellschaftlichen Austausch zu stärken, erreichen wir langfristige Entwicklung. „Engagement Global“ ist ein wichtiger Baustein dafür. Denn nicht allein die Politik ist gefragt. Die Grundlagen und Strategien für mögliche Lösungsansätze gegen das Leid und die Not in der Welt müssen  von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft vorgeschlagen und koordiniert werden.

Kommunen, die Privatwirtschaft, Kirchen, Schulen und Universitäten sowie Verbände und Stiftungen haben vielleicht noch einen größeren Anteil an funktionierenden Projekten in Entwicklungsländern als es die alleine Politik jemals haben kann.

Hier kann ich beispielsweise aus meinem Wahlkreis in Nürnberg berichten. Dort läuft gerade ein Projekt für eine Städtepartnerschaft mit der tunesischen Stadt Ben Gardane an. Die 60.000 Einwohner zählenden tunesischen Stadt wenige Kilometer von der libyschen Grenze steht der Herausforderung von zwei Revolutionen, an beiden Seiten der Grenze, gegenüber.

Bei diesem Projekt wird der Erfahrungsaustausch zwischen den beiden Städten Nürnberg und Ben Gardane eine wichtige Rolle spielen. Es geht dort um die Themen Grundwasserreinigung und Stadtentwicklung. Wir brauchen noch mehr solcher Partnerschaften! Sie  ermöglichen den Austausch von Wissen und Erfahrungen und sind deshalb ein sehr wichtiger Bestandteil erfolgreicher Entwicklungszusammenarbeit. Folgerichtig fördern wir im Haushalt 2013 erstmals das kommunale Engagement in der Entwicklungszusammenarbeit mit 5 Millionen Euro! Auch in der Zusammenarbeit mit den Kirchen können wir auf nunmehr 50 Jahre äußerst erfolgreiche Kooperationen zurückblicken. Seit 2009 haben wir allein hierfür zusätzliche 24 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Das entspricht einer Mittelsteigerung von 12,5 Prozent!

Wirtschaft

Langfristig  können wir nur an einer funktionierenden Partnerschaft mit den Entwicklungs- und Schwellenländern arbeiten, wenn wir die Wirtschaft verstärkt mit ins Boot nehmen. Damit meine ich unsere heimische Wirtschaft.
Unser Ziel muss es also sein, „Handel statt Hilfe“ zu ermöglichen.
Allein in Afrika sind mehr als 700 deutsche Unternehmen aktiv. Sie erwirtschaften einen Umsatz von 32,2 Milliarden Euro pro Jahr. Knapp 200.000 Arbeitnehmer haben dort so ein gesichertes Einkommen und Sicherheit für ihre Familie. Unternehmen können einen erheblichen Beitrag zur langfristigen Entwicklung und Stabilität in Entwicklungsländern beitragen und sind sich dieser Verantwortung auch bewusst.

Corporate Social Responsibility ist für uns in der Entwicklungszusammenarbeit längst kein Exotenthema mehr. Für viele deutsche Unternehmen, die in Entwicklungsländern wirtschaftlich tätig sind, ist diese Verantwortung ein fester Bestandteil.
Es ist sehr lobenswert, dass auch die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft das Thema aktive begleiten und besetzen. Unsere Aufgabe, die Aufgabe der Politik, ist es, das unternehmerische Engagement zu unterstützen und weiterhin zu fordern!
Für eine verbesserte Koordination des CSR haben wir konsequenterweise die Servicestelle EZ & Wirtschaft geschaffen und aus diesem Grund haben wir seit ein paar Jahren auch die Entwicklungsscouts sowie Trainingsprogramme der Handelskammern, die sehr erfolgreich laufen.

Was uns hier aber noch fehlt ist eine bessere Verfügbarkeit der Informationen Möglichkeiten zur finanziellen Förderung und Unterstützung für den deutschen Mittelstand. Wir Gesellschaft, Wirtschaft und Politik, müssen also gemeinsam an einem Strang ziehen, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Gegeneinander und nebeneinander her, das funktioniert nicht! Nur miteinander erzielen wir Erfolge!
Beinahe 80 Millionen Euro werden im Jahr 2013 in die Entwicklungspartnerschaften mit der Wirtschaft fließen.
Und zusätzliche 61 Millionen Euro fließen in die Förderung entwicklungspolitischer Vorhaben privater deutscher Träger.

Gesundheit und internationale Zusagen

Mitte Juni hat Deutschland die zweite Tranche in Höhe von 50 Millionen Euro für den Globalen Fonds freigegeben. Es sind genau diese internationalen Abkommen wie der GFATM, denen wir es zu verdanken haben, dass beispielsweise bei der Versorgung mit antiretroviralen Medikamenten zur Linderung der Beschwerden bei Aids große Fortschritte gemacht wurden. Vor zehn Jahren hatten in den Entwicklungsländern insgesamt nur etwa 400.000 HIV-Infizierte Zugang zu diesen Medikamenten. Heute sind es 8 Millionen, die Zugang zu diesen lebensnotwendigen Medikamenten haben! Und für 2013, liebe Kollegen, sind folgerichtig für den GFATM auch wieder die vereinbarten 200 Millionen Euro vorgesehen.

Klima

All diese Maßnahmen können aber keine Früchte tragen, wenn wir die Entwicklungszusammenarbeit nicht auf eine solide, nachhaltige  Basis stellen. Ein explosives Gemisch aus Klimawandel, Dürren, Hungerkrisen und Unterernährung gefährdet die Menschen in den Entwicklungsländern und auch den Erfolg unserer eigenen Anstrengungen, ihnen zu Hilfe zu kommen.
Wir haben aus den Erfahrungen von 2011 gelernt und konnten in diesem Jahr auf die drohende Hungersnot in der Sahelzone besser reagieren. Dennoch leiden in Ländern wie Mali, Burkina Faso und im Tschad mehr als 18 Millionen Menschen unter extremem Hunger.
Kurzfristige Mittelanweisungen, wie die zusätzlichen 5,7 Millionen Euro, die wir Ende August für die Sahelzone eingesetzt haben,  sind da sicherlich dringend notwendig. Gleichzeitig müssen wir aber doch endlich einmal erkennen, dass wir keine nachhaltige Entwicklung erreichen, wenn wir das Problem nicht am Schopfe packen: Der Klimawandel muss verstärkt eingedämmt werden und es muss noch besser mit den bereits bestehenden Folgen umgegangen werden. „Adaptation“ heißt hier das neue Schlagwort: also Anpassung.
Deshalb ist es ganz besonders zu begrüßen, dass die Bundesregierung  die Mittel  für die Ausgaben im Bereich der Erhaltung der Biodiversität und beim Klimaschutz erhöht  und wir im nächsten Jahr  242 Millionen Euro für Projekte zur Verfügung haben – das ist doch mehr als zukunftsweisend!

Evaluierungsinstitut

Liebe Kolleginnen und Kollegen, um all denen zu begegnen, die mir hier nun Schönfärberei vorwerfen, sei hier an dieser Stelle gesagt:
Es gibt viele Baustellen und sicherlich können wir uns in gar keinem Fall zurücklehnen: Die Preissteigerungen bei Nahrungsmitteln sind eine absolut gefährliche Entwicklung, die uns in den kommenden Jahren vor eine der größten Herausforderungen stellen wird.

Die Kolleginnen und Kollegen werden sich erinnern, dass wir kurz vor der Sommerpause dazu auch eine Anhörung im AwZ hatten.
Mittlerweile wissen alle, dass die Preisspekulationen auf den Finanzmärkten Einfluss auf die Entwicklung der Nahrungsmittelpreise haben. Wer, wie in vielen der Entwicklungsländer, mehr als die Hälfte seines Einkommens für Nahrung ausgeben muss, der leidet unsagbar unter einer hundertprozentigen Preissteigerung für Weizen innerhalb eines Jahres. Das brauche ich hier niemandem vorrechnen.
Wir müssen also weiter den Finanzsektor an seine eigene Verantwortung für das Wohl aller Menschen zu agieren, erinnern und zumindest kurzfristig extreme Auswirkungen der Preissprünge abmildern.

Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang auch sagen: Die Kritik an der möglicherweise problematischen Verwendung bestimmter Rohstoffe als Kraftstoffe ist wohl berechtigt. Aber, wie schon gesagt, das bringt uns doch nicht weiter: Wir müssen das Thema Nahrungsmittelversorgung ganz oben auf unsere Agenda setzen. Punktuelle Debatten helfen da gar nicht weiter. Der Finanzsektor muss in die Pflicht genommen werden. Genauso wie Mineralölunternehmen! Da haben wir noch einiges vor uns, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Und wir müssen unsere Arbeit ständig überprüfen. Nur so können wir nämlich solche Probleme feststellen und an der richtigen Stelle ansetzen. Die Politik ist da nicht anders als das wahre Leben: trial and error. Aber nur so können wir uns weiterentwickeln.
Die Überprüfung lässt uns aber auch die Erfolge der letzten Jahre belegen: Seit einigen Monaten haben wir – genauso wie beispielsweise die Weltbank – ein Evaluierungsinstitut, um die Effizienz unserer Entwicklungsprojekte zu beurteilen. Auch hierfür sind im kommenden Haushalt zusätzliche Mittel vorgesehen. Insgesamt 6,6 Millionen Euro.

Ich bin gespannt auf die ersten Ergebnisse des Evaluierungsinstituts und ich bin überzeugt, sie werden gut sein.
Verbesserungsbedarf gibt es aber immer und Anregungen und Feedback ist wichtig, damit wir weiter erfolgreich arbeiten können.
Was Sie hingegen tun, ist,  überhöhte Wünsche zu formulieren. Damit machen Sie es sich allerdings zu einfach
Uns geht es darum, gemeinsam das Mögliche zu realisieren. Gemeinsam müssen wir die Herausforderungen angehen.

Wenn wir die Bilanz ziehen und uns dann anschauen, was für 2013 vorgesehen ist, dann bin ich überzeugt, dass wir sehr gut aufgestellt in das neue Jahr gehen können. Wir haben solide und vor allem realistische Pläne und umfassende Strategien und bei aller Kritik, liebe Kolleginnen und Kollegen (Opposition), besinnen wir uns doch einmal auf die Fakten!

Vielen Dank!

, , , , , , , , ,

Comments are closed.