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Sterbehilfe in Deutschland. Ärzte als Helfer beim Suizid – Frankfurter Rundschau, 17.06.2015

Sterbehilfe ist ein sensibles Thema und verträgt keinen Fraktionszwang. Die Allianzen gehen quer durch die Fraktionen. Der aussichtsreichste Gesetzentwurf erhält Unterstützung von Abgeordneten aus Union, SPD, Grünen und Linken.

Bundestagsvizepräsident Peter Hintze brachte es gleich auf den Punkt: Der von ihm mitgetragene Gesetzentwurf zur Sterbehilfe sei der einzige der vier vorliegenden Anträge, der auf Eingriffe in das Strafrecht verzichte. Dieses scharfe Schwert habe am Krankenbett nichts zu suchen, sagte der CDU-Politiker am Mittwoch. Tatsächlich kommt der Gesetzentwurf ohne Verbote aus. Er erlaubt vielmehr den Ärzten ausdrücklich, Sterbenskranken beim Suizid zu helfen. Damit will diese Abgeordnetengruppe das gemeinsame Ziel des Bundestags, Sterbehilfevereinen das Handwerk zu legen, auf einem anderen Wege erreichen.

Die Gruppe um Hintze, Karl Lauterbach und Carola Reimann (beide SPD) will im Bürgerlichen Gesetzbuch verankern, dass sich ein Patient bei einer Selbsttötung von einem Arzt helfen lassen kann. Bedingung ist, dass der Patient volljährig und einwilligungsfähig ist und an einer unheilbaren Erkrankung leidet, die unumkehrbar zum Tod führt. Der Patient muss die ärztliche Beihilfe zudem „ernsthaft und endgültig“ wünschen; der Arzt muss ihn über Behandlungsmöglichkeiten informieren und die Unumkehrbarkeit der Erkrankung sowie die Wahrscheinlichkeit des Todes feststellen. Zudem muss ein zweiter Arzt Todeswunsch und Einwilligungsfähigkeit des Patienten bestätigen.

Suizid und folglich auch die Beihilfe dazu sind in Deutschland nicht strafbar. Allerdings untersagt das Standesrecht in zehn von 17 Ärztekammer-Bezirken die Beihilfe; Mediziner können ihre Approbation verlieren. Durch eine Klarstellung im Bürgerlichen Gesetzbuch würde das ärztliche Standesrecht hier ausgehebelt. „Wir geben eine klare Botschaft: Niemand muss ins Ausland fahren, niemand muss sich an medizinische Laien und selbst ernannte Sterbehelfer wenden“, sagte Reimann.

Die Erstunterzeichner räumten ein, dass die Palliativmedizin in der Regel eine ausreichende Schmerzlinderung ermöglicht. Sie stoße aber in sehr wenigen Fällen an Grenzen. Lauterbach sagte, es gehe ihm vor allem auch um jene Fälle einer „subjektiv empfundenen Situation der Aussichtslosigkeit“, in der Patienten ihre eigene Situation als würdelos empfänden. Ihnen könne die Palliativmedizin nicht helfen.

Änderungen im Strafrecht lehnten die Abgeordneten strikt ab. „Wir wollen keine Kriminalisierung des Sterbens“, sagte die CSU-Politikerin Dagmar Wöhrl. Das Parlament will im Herbst über eine Regelung entscheiden. Die erste Beratung ist in zwei Wochen angesetzt. Dazu liegen drei weitere Vorschläge vor. In dieser ethisch brisanten Frage ist der Fraktionszwang der Parlamentarier aufgehoben.

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Frankfurter Rundschau
17.06.2015
Timot Szent-Ivanyi

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